Polizeikontrollen am Jugendzentrum in Neustadt

Nicht nur die ältere Generation hatte sich an Pfingsten mit einer Mahnwachen und Demonstration am Pfingstsamstag und einer Menschenkette am Pfingstmontag für Demokratie und ein buntes, vielfältiges Neustadt eingesetzt, sondern viele Neustadter Jugendliche und junge Erwachsene waren aktiv dabei. Die Engagierte Jugend Neustadts (EJN) ist dabei seit Jahren ein aktiver Zusammenschluss von jungen Leuten, die auch seit 2020 das Neustadter Jugendzentrum selbstverwaltet und mit einem kreativen Programm betreibt. Die EJN beklagt sich in einer Stellungnahme, die der Hambach-Blog im Folgenden dokumentiert, über schikanöse Personenkontrolle am Jugendzentrum am Pfingstsamstag und Pfingstsonntag. In einem heute veröffentlichten Bericht zur Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Europa, warnt Amnesty International davor, dass friedlicher Protest systematisch eingeschränkt und unterdrückt würde, so auch in Deutschland. Nicht nur durch Verbote, sondern auch durch Überwachung und Einschüchterung werde die Versammlungsfreiheit eingeschränkt und ein protestfeindliches Umfeld geschaffen. Die Stellungnahme der EJN ist ein Indiz dafür, dass Amnesty mit seinen Warnungen recht haben könnte. Unsere Demokratie braucht Luft zum Atmen und keine Polizeikontrollen vor Jugendzentren.

Stellungnahme der EJN zum Umgang mit Gegenprotest aus der Jugendszene am Pfingstwochenende (18./19.05.2024)

Wir als Engagierte Jugend Neustadt (EJN) sind erschüttert und frustriert über die Ereignisse vom 18. und 19.05.2024 in Neustadt an der Weinstraße. Als Träger der freien Jugendarbeit setzen wir uns seit Bestehen für die Belange junger Menschen aus Neustadt und Umgebung ein und sind seit Jahren für vielfältiges zivilgesellschaftliches Engagement bekannt.

Seit Anfang 2020 bietet das JUZ Neustadt Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen sicheren Raum, in dem sie eigene Projekte ausprobieren und umsetzen können, sich frei über gesellschaftliche Themen austauschen und selbstwirksam politisch Stellung beziehen können.

Unter Anderem aus diesen Gründen haben wir uns auch dazu entschieden, das gesamte Pfingstwochenende über einen offenen Treff anzubieten, von dem aus Personen zu den diversen Versammlungen des „regionalen Bündnis gegen Rechts“ und der Initiative „Neustadt bleibt bunt“ aufbrechen oder das Versammlungsgeschehen beobachten konnten. Darüber hinaus haben wir das überwiegend gute Wetter genutzt um Tomaten und Kräuter im Garten zu pflanzen, gemeinsam zu kochen und ein inhaltliches Kontrastprogramm zu der „Initiative Hambach 24“, „FreiEinig“ und „den Weißen“ für junge Menschen bieten zu können.

Bereits am Samstagmorgen positionierte sich ein Einsatzfahrzeug der Polizei direkt vor dem Jugendzentrum und beobachtete bis spät am Abend, wer in unseren Räumlichkeiten ein- und ausging. Auf Nachfrage wurde uns dies dann kurz angebunden als Maßnahme zur Gefahrenabwehr erklärt.

Am Sonntag kam es dann zu zahlreichen polizeilichen Kontrollen, bei denen Personalien aufgenommen und Taschen durchsucht wurden, und in denen Trans*-Personen wiederholt und trotz Erklärung mit falscher Anrede angesprochen wurden, was respektlos und entwürdigend ist. Über einen Zeitraum von etwa 5 Stunden war es nicht möglich, das Jugendzentrum zu betreten oder zu verlassen, ohne in eine solche Kontrolle zu geraten. Zeitweise versammelten sich schätzungsweise 20 Beamt*innen vor unserem Eingang.

Dieses Vorgehen ist vollkommen inakzeptabel!  

Als Trägerverein des Jugendzentrums bieten wir ein vielfältiges Angebot für junge Menschen und sind stolz darauf, auch für Jugendliche in schwierigen Lebensrealitäten, mit unterschiedlichen Erkrankungen und Behinderungen eine sichere Anlaufstelle zu bieten. Diese Sicherheit wurde durch die polizeilichen Maßnahmen nachhaltig geschädigt.

Zudem haben die Kontrollen unsere Besucher*innen unter Generalverdacht gestellt, haben viele von uns in unserer Arbeit gegen Demokratie- und Wissenschaftsfeinde eingeschüchtert und wütend gemacht. Denn: Politisches Engagement wird durch solches Vorgehen als unerwünscht gekennzeichnet und kriminalisiert.

Einerseits freut man sich seitens der Stadt regelmäßig über die vielfältige Beteiligung junger Menschen, an den verschiedensten städtischen Formaten, die aus EJN und JUZ hervorgehen, während man andererseits versucht, uns in ein schlechtes Licht zu rücken. 

Diesen Umgangston werden wir uns zukünftig nicht gefallen lassen! In unserem Jugendzentrum möchten wir als Engagierte Jugend Neustadt Jugendkultur, politischem und zivilgesellschaftlichem Engagement einen offenen Raum bieten. Um das zu ermöglichen, bemühen wir uns als Trägerverein seit unserer Gründung, eine gute Zusammenarbeit und Kommunikation mit der Stadt Neustadt und ihren Gremien zu pflegen. Wir handeln als Verein stets im Sinne unserer Satzung und es liegt durchaus in unserem Interesse, Unklarheiten zu unserem Handeln schnell zu klären.

Daher fordern wir ein Gespräch mit dem*der Verantwortlichen für diese Entscheidung und wünschen uns, dass zukünftig in Situationen wie an Pfingsten im Vorfeld Kontakt mit uns aufgenommen wird.

Wenn hingegen über unsere Köpfe hinweg unverhältnismäßige Maßnahmen entschieden werden, werden wir in unserer Jugendarbeit eingeschränkt. Wir können keinen sicheren Raum für junge Menschen bieten, wenn sie allein durch das Betreten unserer Räumlichkeit aus Sicht der Stadt Neustadt als Gefahr wahrgenommen werden. Uns ist nach wie vor nicht ersichtlich, welche Gefahren mit diesen Maßnahmen hätten abgewehrt werden sollen. Sämtlicher Gegenprotest, der an diesen Tagen gegen die diversen demokratiefernen Bewegungen organisiert wurde, war friedlich und wurde wie schon die Jahre zuvor von weiten Teilen der Neustadter Zivilgesellschaft getragen und unterstützt. 

Wir setzen uns entschieden für internationale Solidarität, Menschenrechte und unsere pluralistische Demokratie ein. Seit der Vereinnahmung des Demokratiefestes 2022 positionieren wir uns aktiv gegen jene Gruppierungen, die in unserer Region menschenverachtende, rückschrittliche Ideologien und Verschwörungsmythen verbreiten. Wir tun dies, da es in Zeiten von Rechtsruck, Klimakrise und der Häufung von internationalen Konflikten wichtig ist, sich nicht nur am politischen Diskurs zu beteiligen, sondern diesen auch vor der Vergiftung durch Populismus und Wissenschaftsfeindlichkeit zu schützen. 

Engagierte Jugend Neustadt e.V. sowie Besucher*innen des Jugendzentrums Neustadt

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