Katha Thomas Rede zum 90-jährigen Jubiläum des Hambacher Festes 1922

Beim Hambacher Fest, das weit über den örtlichen und parteilichen Rahmen hinaus ein deutsches Fest ist, das einen Markstein bildet parteipolitischen und allgemein deutschen, vaterländischen Geschehens, darf daher die Stimme der deutschen Frau nicht fehlen!

Titelblatt des Programmheftes für die 90-jährige Hambach-Gedenkfeier am 24. und 25. Mai 1922 im Neustadter Saalbau und auf dem Hambacher Schloss. © Stadtarchiv – Stadt Neustadt an der Weinstraße

Mit diesen Worten wandte sich Katha Thoma am 25. Mai 1922 an ihre Parteigenoss*innen auf dem Schlossberg in Neustadt an der Haardt. An diesem Tag veranstaltete der pfälzische Landesverband der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) ein großes Sommerfest, um an die Ereignisse des Jahres 1832 zu erinnern: das Hambacher Fest. Katha Thoma (1895–1931) war für die ursprünglich vorgesehene und verhinderte Reichstagsabgeordnete Dr. Marie-Elisabeth Lüders, ebenfalls von der DDP, eingesprungen. Nach Marie-Elisabeth Lüders ist eines der markanten neuen Gebäude des Deutschen Bundestags benannt. Doch wer ist Katha Thoma?

Katha Thoma (1895-1931)

Die am 7. April 1895 geborene Tochter eines Regierungsbeamten und einer Gutsbesitzertochter aus Waldfischbach hatte zunächst als Geschäftsführerin in der Konditorei ihres Bruders in Speyer gearbeitet. Ihr Bruder war es auch, der früh ihr Interesse an der Politik geweckt und sie bei ihrer Parteiarbeit unterstützt hatte. Bereits im Jahr der Gründung der DDP 1918 und damit im Jahr, in dem die deutschen Frauen das aktive und passive Wahlrecht erhalten hatten, war Thoma der Deutschen Demokratischen Partei der Pfalz beigetreten. Wenig später war sie zur Vorsitzenden der Ortsgruppe Speyer gewählt worden und hatte als Ausschussmitglied dem Landesverband der DDP angehört. Während ihres parteipolitischen Engagements setzte sie sich vor allem für die Stärkung der politischen Rechte und die aktive Mitbestimmung der Frauen in allen gesellschaftlichen Fragen ein. Neben Frauenrechtsfragen konzentrierte Katha Thoma ihr politisches Engagement auf den Kampf gegen die französische Rheinlandpolitik und die separatistischen Bestrebungen in der Pfalz.

Die Pfalz, die seit 1816 zu Bayern gehörte, stand infolge des Ersten Weltkriegs und gemäß des Versailler Vertrages seit 1919 unter französischer Besatzung. In dieser Zeit entwickelten sich politische Bewegungen, die eine Autonomie der Pfalz von Bayern forderten und sich teilweise eher an Frankreich als an Deutschland orientieren wollten. So unternahm beispielsweise die sog. Freie Pfalz-Bewegung am 1. Juni 1919 in der Speyerer Kreisregierung einen massiv von der französischen Besatzungsmacht unterstützten, wenn auch letztlich vergeblichen Putschversuch.

Obwohl mit dem Besatzungsstatut sämtliche Versammlungen von der französischen Besatzungsbehörde genehmigt werden mussten und strikt überwacht wurden, gelang es Thoma immer wieder, ihrem Anliegen in zahlreichen Reden Ausdruck zu verleihen, – so auch in ihrer Rede am 25. Mai auf dem Hambacher Schloss.

Porträt von Katha Thoma, Datum unbekannt. Aus: Die Pfalz am Rhein 15/10 (1932), S. 299.

Viele ihrer gegen den Pfälzer Separatismus gerichteten Reden fanden große Resonanz – sowohl beim Publikum als auch in der Presse –, trugen mitunter aber schließlich zu ihrer Ausweisung aus dem französisch besetzten Gebiet bei. In dem Ausweisungsbefehl vom 7. Februar 1923 gab die Interalliierte Rheinland-Oberkommission als Begründung unter anderem an, Thoma sei aufgrund ihrer allgemeinen Haltung eine Gefährdung für die Besatzungstruppen sowie eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung.

Nach ihrer Ausweisung begab sie sich nach Heidelberg, wo sie Kontakt zu ihrem Bruder aufnahm, der mittlerweile das Lektorat zur Beobachtung der französischen Presse in der von Bayern neu eingerichteten sog. Pfalzzentrale in Heidelberg leitete. Bis zu ihrer Rückkehr Ende Oktober 1924 nutzte Katha Thoma die Zeit, um die Verhältnisse im besetzten linksrheinischen Gebiet im übrigen Reich publik zu machen sowie nach Unterstützung zu suchen. Aus gesundheitlichen Gründen zog sie sich allerdings unmittelbar nach ihrer Ankunft in Speyer aus der Parteiarbeit zurück, wobei sie nach wie vor als Rednerin auftrat. Katha Thoma blieb zeitlebens unverheiratet und verstarb am 23. März 1931 und damit ein Jahr nach Abzug der französischen Besatzungstruppen.

Katha Thomas Rede vom 25. Mai 1922

Im Vorfeld der DDP-Sommerfeier 1922 war es für alle Redner*innen Pflicht gewesen, die Themen ihrer Vorträge bei der französischen Besatzungsbehörde anzumelden. Diese überwachte auch die Festlichkeiten auf dem Hambacher Schloss. Der Titel, den Thoma bei der französischen Besatzungsbehörde eingereicht hatte, lautete „Das Hambacher Fest und die Frauen“. Es ging Thoma dabei allerdings nicht so sehr um die Frauen des Jahres 1832. Vielmehr wollte sie den Blick ihrer weiblichen Zeitgenossinnen für die Lehren schärfen, die ihrer Meinung nach aus dem historischen Ereignis zu ziehen seien. Dazu machte sie auf die Bedeutung des Hambacher Festes aufmerksam und beschrieb das Hambacher Schloss als eine „geweihte Stätte der Pfälzer Demokratie“. Im gleichen Atemzug betonte sie jedoch auch die überregionale Strahlkraft der Hambacher Ereignisse damals wie heute. In ihren Augen war Hambach ein „Symbol der deutschen Freiheit und Einigkeit“ im Allgemeinen und in den „Freiheitshelden von 1832“ sah sie die „Vorkämpfer der deutschen Demokratie“.

Ihr Appell richtete sich daher an alle deutschen Frauen, von denen sie Zusammenhalt und Einigkeit forderte. Von ihren demokratischen Mitstreiterinnen erwartete die Rednerin parteiübergreifend, die innerpolitischen Kämpfe schlichten zu helfen. Die Hambacher Forderung nach nationaler Einheit stellte Thoma somit in einen anderen Kontext. Äußerlich hatten sich die Forderungen von damals inzwischen erfüllt: seit 1871 gab es ein vereintes Deutsches Reich und seit 1918 bestand erstmals eine parlamentarische Demokratie in Deutschland. Allerdings – und das lässt sich auch aus Thomas Andeutungen herauslesen – hatte sich die innere politische Einigkeit noch nicht erfüllt.

Zwar ging Thoma selbst auf die innerpolitischen Kämpfe nicht näher ein, gab anderen politischen Ereignissen ihrer Gegenwart dafür umso mehr Raum: die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges und des Versailler Vertrages, die Freilassung von Kriegsgefangenen und insbesondere die separatistischen Bestrebungen in der Pfalz im Rahmen der Rheinlandbesetzung und bezog sich dabei immer wieder auf die Ideale des Hambacher Festes von 1832. Im Kern war das die Botschaft von Freiheit und Einheit bzw. Einigkeit. Und mehr noch:

Wir demokratische Frauen von 1922 sehen jedoch – bei dem gegenwärtigen Stand der Dinge – in dem Hambacher Fest noch ein anderes: wir sehen in ihm ein Fest der echt demokratischen Ideale der Völkerversöhnung, des nachbarlichen Zusammenlebens, des Friedens.

Dass Thoma gerade die Hambacher Parole nach Einheit bzw. Einigkeit sowie den Friedenswunsch zentral setzte, hängt sicherlich auch mit dem Zeitpunkt der gehaltenen Rede zusammen. Zu Beginn der Weimarer Jahre musste für den Erhalt und den Ausbau der noch jungen, vielfach gefährdeten deutschen Republik aktiv gekämpft werden. Zugleich zielten separatistische Bewegungen auf die Loslösung einzelner Landesteile vom Deutschen Reich mit der Absicht, einen eigenen unabhängigen Staat zu bilden oder sich einem bestehenden anzuschließen.

Der gerade publizierte Quellenband „Hoher Besuch und starke Worte. Zwei Jahrhunderte politischer Reden auf dem Hambacher Schloss“ enthält die vollständige Rede von Katha Thoma und ist ein Beitrag dafür, die weitgehend vergessene Pfälzer Demokratin wieder im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verankern.

Sara Anil, Institut für Geschichtliche Landeskunde Rheinland-Pfalz e.V. (IGL)

Der Beitrag ist eine gekürzte und leicht überarbeitete Fassung aus dem neu erschienen Buch von Anil, Sara; Berkessel, Hans; Sprenger, Kai-Michael; Traub, Sarah: Hoher Besuch und starke Worte. Zwei Jahrhunderte politischer Reden auf dem Hambacher Schloss. Oppenheim: Verlag Nünnerich-Asmus 2022, ISBN 978-3-96176-126-5, 32,00 €

Weitere Veröffentlichungen zu Katha Thoma (antiquarisch noch verfügbar):

Thoma, Eugen: Katha Thoma – eine Heldin der Pfalz. Frankfurt am Main: Franzmathes 1932

Esther Wipfler: Katha Thoma – eine engagierte Antiseparatistin. In: Stadt Speyer (Hg.): Frauen in Speyer. Leben und Wirken in zwei Jahrtausenden. Speyer: 1990, S. 308-317

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