Wer den parlamentarischen Weg verwirft, steht nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes

Die Initiative „Neustadt bleibt bunt“ hatte für Pfingstsamstag zu einer Demonstration von Hambach auf das Hambacher Schloss mit abschließender Kundgebung mobilisiert: Für Demokratie, Vielfalt und Menschenrechte. Wenn sich manche und mancher auch eine noch größere Beteiligung erwartet und gewünscht hatte, waren es dann doch etwa 400 TeilnehmerInnen, die dem Aufruf gefolgt waren – deutlich mehr als im letzten Jahr auf dem Wendehammer gegen den Marsch der „Weißen“ protestiert hatten. Auf der Kundgebung sprachen u.a. Johann Dreyer (Engagierten Jugend Neustadt), Martina Horak-Werz (Pfarrerin und Mitglied von „Omas gegen rechts“), Ulrich Riehm (Freundeskreises Hambacher Fest 1832), Mandy Schiefner-Rohs (Professorin und Bildungsexpertin) und Kurt Beck (Beiratsvorsitzender der Stiftung Hambacher Schloss). Mit musikalischen Beiträgen waren beteiligt die Liedermacherin Martina Gemmar und der Rapper Chaoze One. Im Folgenden dokumentieren wir die Rede von Ulrich Riehm, Freundeskreis Hambacher Fest 1832, auf der Abschlusskundgebung.

Rede von Ulrich Riehm auf der Abschlusskundgebung von „Neustadt bleibt bunt“ am 18.5.2024 auf dem Hambacher Schloss

Liebe Freundinnen und Freunde der Demokratie, des Hambacher Schlosses und des Hambacher Festes von 1832,

es ist großartig, dass ihr alle da seid, um für Demokratie und Vielfalt hier an diesem historischen Ort euer Gesicht zu zeigen.

2018 stand ich zum ersten Mal unten am Wendehammer mit anderen aus Neustadt und der Region, um gegen das erste sog. neue Hambacher Fest eines Max Otte zu protestieren. Leider hatte Otte mehr Leute auf das Schloss mitgebracht als am Wendehammer gegen ihn protestierten.

Protest gegen das erste sog. neue Hambacher Fest von Max Otte Mai 2018

Heute sind wir viel mehr als 2018. Aus Hambach, Neustadt, den umliegenden Gemeinden und bis über den Rhein seid ihr gekommen. Gemeinsam haben wir verstanden, dass das Hambacher Schloss nicht nur ein wichtiger Ort der deutschen und europäischen Demokratiegeschichte ist, sondern dass wir diesen auch gegen den Missbrauch von rechts verteidigen müssen. Heute ist so ein Tag.

Neustadt bleibt bunt – Kundgebung am Hambacher Schloss am 18.5.2024 (Foto: privat)

2018 bei Max Ottes Veranstaltung kam eine unsägliche Liste von Rednern zu Wort: Um nur drei zu nennen:

  • Thilo Sarrazin, den man mit Fug und Recht als Rassisten bezeichnen kann.
  • Jörg Meuthen, damals Ko-Vorsitzender der AfD.
  • Markus Krall, ein marktradikaler Antidemokrat und gewaltbereiter Rechtsextremist. Krall ist mehrfach in Hambach aufgetreten, zuletzt 2023.

In den folgenden Jahren wurden diese Vernetzungstreffen zwischen den Teilen der CDU, die sich in der Werteunion organisiert hatten, der AfD und mehr oder weniger freischwebenden Antidemokraten und Rechtsextremisten fortgesetzt, in den letzten beiden Jahren unter Führung des Neustadter Unternehmers Wolfgang Kochanek mit seinen sog. „Weißen“.

Kochanek ist bekannt dafür, dass er Falschaussagen und Lügenmärchen verbreitet. Politiker diffamiert er pauschal als „unfähig“ und beschimpft sie unflätig. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst beleidigt er als „Faulenzer“ und will sie „entsorgen“. Der Untergang Deutschlands stehe demnächst bevor, reiht er sich in die Riege der Crash-Propheten ein. Er ist ein „Großkrischer“ (oder Großmaul), wie man in der Pfalz sagen würde, und er redet einen blutigen „Volksaufstand“ gegen die herrschenden Eliten herbei.

Unsinn zu verbreiten, ist auch von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Unsinn zu verbreiten, ist auch von der Meinungsfreiheit gedeckt. Das müssen wir aushalten. Aber diejenigen, die behaupten, ihre Meinungsfreiheit würde eingeschränkt, heulen doch dann besonders laut auf, wenn wir sie, ob ihrer abstrusen Ansichten, scharf kritisieren.

Wir werden ihre Halbwahrheiten, ihre Lügen, ihre Diffamierungen weiter aufdecken und auch nicht davor zurückschrecken, sie als Antidemokraten und Gegner des Grundgesetzes zu bezeichnen.

Wer die Auffassung verbreitet, politische Veränderungen seien nicht mehr auf dem normalen parlamentarischen Weg zu erreichen, der muss sich fragen lassen, ob er noch auf dem Boden des Grundgesetzes steht, egal wie oft er mit dem Grundgesetz herumwedelt.

Aus der ganzen Bundesrepublik sind an diesem Pfingstwochenende Gruppen dem Aufruf von Kochaneks „Weißen“, die sich jetzt „frei einig“ nennen, gefolgt und nach Neustadt gekommen. Mit wenig Resonanz bei der Neustadter Bevölkerung hatten sie heute in der Innenstadt von Neustadt ihre Propagandastände aufgebaut, um ihre Opposition, nein ihre Verachtung gegenüber unserer Demokratie zum Ausdruck zu bringen.


Hauptbühne auf dem Hetzelplatz der „Wir-leben-in-einer-Diktatur“-Szene am Pfingstsamstag 2024 mit Dauerredner und Dauersänger vor drei Kameras, aber ohne Publikum (Foto: privat)

Ihre Anhängerschaft ist in Neustadt zum Glück so gering, dass die von Kochanek großspurig angekündigte Beteiligung an den Kommunalwahlen wegen mangelnder Unterstützung aufgegeben wurde.

Aber was ist die gemeinsame Basis dieser Gruppen? Nach meiner Auffassung stimmen sie darin überein, dass wir hier in Deutschland bereits oder demnächst in einer Diktatur lebten.

Dieser absurde Gedanke lässt sie eine Linie ziehen zum Hambacher Fest von 1832. Damals gab es eine absolutistische Fürstenherrschaft, das Volk hatte nichts zu sagen. Es herrschte ökonomisches Elend, das Zigtausende aus der Pfalz zwang, nach Nord- oder Südamerika auszuwandern.

Heute leben wir in einem demokratischen, föderalen Rechts- und Sozialstaat und sind zum Glück in den Staatenverbund der Europäischen Union eingebettet, der uns über 70 Jahre Frieden und Freiheit beschert hat. Was für ein Unterschied zu 1832.

Keine Frage: Nicht alles läuft gut in diesem Land. Kritik, auch radikale Kritik ist an vielen Stellen berechtigt und notwendig. Aktives demokratisches Engagement von unten für die Verbesserung der Lebensverhältnisse ist das Lebenselixier für unsere Gesellschaft. Deswegen sind wir heute auch hier.

  • Deshalb rufe ich euch alle auf, auch morgen den vorbeiziehenden Weißen, Schwarzen oder gar Braunen zu zeigen oder zuzurufen: Ihr seid hier in Neustadt nicht willkommen.
  • Deshalb rufe ich euch alle auf, am Pfingstmontag die Menschenkette von Hambach aufs Schloss der Initiative „Mehr beWIRken“ aktiv zu unterstützen.
  • Deshalb rufe ich euch auf, die Veranstaltungen des Demokratiefestes von Stadt Neustadt und Stiftung Hambacher Schloss in der nächsten Woche zu besuchen und euch dort in den politischen Diskurs einzubringen.
  • Und deshalb rufe ich euch auf, am 9. Juni zur Kommunal- und Europawahl zu gehen und eine der kandidierenden demokratischen Parteien zu wählen.
Das Hambacher Schloss am Pfingstsamstag 2024 (Foto: privat)

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Stichwort: Hambach

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