Das war’s! – War‘s das?

Don Quich-Ottes großer Bluff

Mit 1.000 und mehr „Patrioten“ wollte Max Otte am Samstag, 5. Mai 2018, in der Früh den Berg zum Hambacher Schloss besteigen, um dort das sog. neue Hambacher Fest mit AfD-Meuten, SPD-Sarrazin und CDU-Lengsfeld zu feiern. Der Marsch war konspirativ angelegt. Die Öffentlichkeit durfte nicht wissen, wo es wirklich losgeht. Man hat sich dann die kürzeste Strecke ausgesucht, direkt vom Stadtteil Hambach aus. Sammelplatz war der Parkplatz für Wohnmobile. Statt 1.000 und mehr Deutschlandfahnen schwenkenden Marschierern waren es dann vielleicht 350, so jedenfalls die Einschätzung der Polizei. Andere kamen mit dem Taxi oder in großen schwarzen Limousinen mit Kölner Kennzeichen, vielleicht Dienstwagen von Max Ottes Firma IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH.

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Hambach, Wohnmobilparklatz: Konspirativer Treffpunkt der Patrioten

Als Max Otte an den Gastronomiebetrieb des Hambacher Schlosses herantrat, um Räumlichkeiten zu mieten, deutete er ein Kunden-Event an, denn sein Institut hilft solventen Patrioten bei der Mehrung ihres Kapitals.

Doch die „Kundenveranstaltung“ war auch nur ein Bluff von Max Otte, ein „notorischer Selbstdarsteller“ wie Heribert Münkler über ihn schrieb. Denn Otte hatte größeres vor: Protest dagegen, dass in Deutschland die Meinungsfreiheit beschädigt sei, dass Zensur wieder bei uns Einzug halte, dass eine verfehlte Einwanderungspolitik unsere Gesellschaft bedrohe, dass es ein Klima der Repression gebe. Dazu lud er nicht nur seine Kunden ein, sondern ein breites, rechtsgerichtetes Spektrum mit prominenten, medienbekannten, keineswegs zensierten Referenten zwischen SPD-Sarrazin, CDU-Lengsfeld und AfD-Meuthen.

Manche der Teilnehmer bei Ottes Fest waren wohl erschrocken, wie viele AfD-Vertreter anwesend waren. Zu diesen AfDlern gehörten u.a. der Fraktionsvorsitzende im Rheinlandpfälzischen Landtag und AfD-Landeschef Uwe Junge oder der Bundestagsabgeordnete und parlamentarische Geschäftsführer der AFD, Bernd Baumann, zu dem man in Wikipedia nachlesen kann, dass er der „Goslaer Runde“ der AfD angehöre, die nach Angaben des Nachrichtenmagazins Focus ein „Netzwerk ultrarechter männlicher AfD-Funktionäre“ sei, „das dazu dient, informelle Personalabsprachen und Richtungsentscheidungen zu treffen“. Dieses Netzwerk soll laut Focus im August 2017 entschieden haben, sich für einen AfD-Parteivorsitz von Björn Höcke einzusetzen.

Die großen Tageszeitungen der Region berichteten erst wenige Tage vor dem 5. Mai etwas ausführlicher über das Otte-Event. Eine kritische Öffentlichkeit tat sich deshalb schwer, gegen Ottes sog. neues Hambacher Fest aufzutreten. Im regionalen Umfeld war Ottes Vorhaben lange kaum bekannt.

Von der Stiftung des Hambacher Festes ist uns bis heute keine offizielle Verlautbarung zu diesem Ereignis bekannt, das man mit einigem Recht als den Zielen der Stiftung widersprechend ansehen kann – außer, dass das Schloss und seine Ausstellung zur Demokratiegeschichte an diesem Tag für die Öffentlichkeit gesperrt würde.

Auch die Hambach-Gesellschaft und die Siebenpfeiffer-Stiftung, zwei Organisationen, die sich um die Traditionspflege des Hambacher Festes von 1832 große Verdienste erworben haben, taten sich mit einer Stellungnahme schwer, die schließlich doch noch zustande kam. Dort ist u.a. zu lesen: „Gewiss kann es kein Monopol der Interpretation Hambachs oder des Hambacher Erbes geben. Das Hambacher Fest 1832 war nicht zuletzt eine Manifestation der Redefreiheit. Dennoch fragen wir, wie ernst die Redner des „Neuen Hambacher Fests“ das zentrale Anliegen ihrer „Vorväter“ nehmen, besonders das Bekenntnis zu Europa und die Solidarität mit aus ihrer Heimat Vertriebenen.“

Parteien wie die SPD, Linke oder die Grünen über dem Rhein in Mannheim oder in der Hauptstadt des Landes, Mainz, winkten – was die Herstellung einer Gegenöffentlichkeit betraf – gerne ab: Da müssten schon die Neustadter oder Hambacher selbst etwas unternehmen. Auch hörte man immer wieder, man dürfe den rechtsgerichteten Kreisen nicht zu viel Aufmerksamkeit mit Gegenaktionen schenken, denn das wollten diese doch nur. So auch der renommierte Politologe Heribert Münkler in einem bemerkenswerten Beitrag im Mannheimer Morgen am 28.4.2018. Doch, Herr Münkler, hätten Sie dann selbst nicht auch schweigen sollen?

Nein, schweigen ist keine Alternative, schon gar keine Alternative für ein demokratisches Deutschland.

In diesem Sinne protestierten bereits am Freitag, 4. Mai gut 100 Neustadterinnen und Neustadter bei einer Mahnwache auf dem Marktplatz gegen den rechten Aufmarsch zum benachbarten Schloss.

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Artikel zur Mahnwache am 4.5.2018 in Neustadt (Rheinpfalz vom 5.5.2018)

Mehr als diese 100, vielleicht waren es sogar 150 oder gar 200 Menschen aus Neustadt, Karlsruhe, Mannheim, Ludwigshafen, Landau und der ganzen Kurpfälzer Region, sind dann am Samstag in der Frühe mit Fahrrad, Zug, Auto und zu Fuß zum Hambacher Schloss gezogen. Es hätten natürlich mehr sein dürfen, keine Frage! Aber die Konkurrenz politischer Aktivitäten war auch groß: Demonstrationen von rechts und links gab es zum x-Mal in Kandel in der Südpfalz; auch in Trier, zum 200. Geburtstag von Karl Marx, demonstrierte die AfD und Gegendemonstranten hielten dagegen; in Mannheim fand ein traditionsreiches, politisches Straßenfest statt, um nur einige dieser konkurrierenden Ereignisse zu nennen.

Das „Regionale Bündnis gegen Rechts“ hatte die Protestveranstaltung in einer Ecke des Busparkplatzes am Hambacher Schloss angemeldet. Die „Patrioten“ mussten vorbeiziehen. Pressevertreter sprachen mit den Gegendemonstranten über ihre Motive und Einschätzungen. So sorgte nicht nur das schöne Wetter für gute Stimmung, sondern insbesondere das Gefühl, dass es sich gelohnt hat, die eigene Stimme gegen diesen Rechtsdrall in der Gesellschaft zu erheben.

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Auf der Protestkundgebung des Regionalen Bündnisses gegen Rechts

Diese Stimmen der Protestierenden waren vielfältig und bunt. Da wurden Lieder gesungen, selbst gemalte Plakate hoch gehalten, Parolen gerufen und gepfiffen gegen Otte, Meuthen und Co.

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Parolen, die den „Patrioten“ entgegen gehalten wurden

Manche mögen vielleicht bedauern, dass es nicht gelang, die Otto-Show zu verhindern. Aber kann es wirklich darum gehen?

Für’s Unterbinden solcher Veranstaltung ist die Stiftung Hambacher Schloss und ihre Stifter, allen voran die Landesregierung Rheinland-Pfalz aus SPD, FDP und Grünen, zuständig. Sie sollte im Nachgang zum 5. Mai 2018 ernsthaft darüber nachdenken, ob in Zukunft das Stiftungsinteresse und das Interesse der Öffentlichkeit an einem freien Zugang zum Schloss und seiner Ausstellung gegenüber dem Privatinteresse eines Vermögensverwalters und Strippenziehers in rechten Gefilden wieder zurückstehen soll. Hier geht es um eine Güterabwägung zwischen unterschiedlichen Interessen. Wenn sich diese nicht vereinbaren lassen, muss man sich entscheiden. Die Stiftung sollte hoffentlich wissen, wofür sie sich zu entscheiden hat. Wir sind gespannt!

Denn die nächst Vereinnahmung des Hambacher Schlosses steht bereits vor der Tür. Die AfD-Fraktion des Mainzer Landtages will dort am 22. Juni 2018 erneut eine Veranstaltung durchführen.

Und auch Otte will dem Event vom 5.5.2018 eine Reihe weiterer folgen lassen, und damit eine Tradition begründen, wie die Welt noch am gleichen Tag zu berichten wusste.

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Demokraten, auf zum Schloss!

(Ulrich Riehm)