Das Hambacher Fest von 1832 als Beginn einer Emanzipationsbewegung

Daniela Kreh, Dipl. Sozialpäd., freiberuflich Gäste-Führerin und Workshop-Dozentin auf dem Hambacher Schloss

Es ist einerseits immer diskutabel, wenn Menschen aus der Gegenwart sich mit ihren politischen Idealen auf die Vergangenheit beziehen. Andrerseits gäbe es die Gegenwart, so wie sie ist, ohne die Vergangenheit nicht, und wir leben und kämpfen auf den Schultern unserer Ahnen. Ob sie genau das erträumt haben, was wir heute erreicht haben, wissen wir nicht. Auch nicht bei den Menschen, die 1832 beim Hambacher Fest waren, die an der Vorbereitung beteiligt und von den Nachbeben betroffen waren.

Dennoch verbindet uns viel mit ihnen, und es gibt eine direkte Linie von 1832 zu den Themen, die uns aktuell bewegen:

Schutz des Individuums vor staatlicher Willkür

Eine wesentliche Forderung der Hambacher war, dass der Nationalstaat als Organisationsform zum Schutz des Individuums vor willkürlichen Übergriffen geschaffen werden muss. Frei nach Winston Churchills Zitat „Wenn es morgens um 6 Uhr an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe“. Hierzulande ist es wohl eher die Zeitungsbotin, aber man weiß, was gemeint ist. Die Flüchtlinge, die hier Asyl suchen, wissen es auf jeden Fall.

Eine funktionierende Demokratie muss darum die Sicherheit des Bürgers und der Bürgerin vor Willkür als Basic gewährleisten, ebenso die Selbstverständlichkeit der Grundrechte für alle. 

Und vor allem, und dies ist eben gar nicht so selbstverständlich: Die Gewaltenteilung sichern, dazu gehört heute auch die aktive demokratische Gestaltung der 4. Gewalt, nämlich der Medien. 

Gewaltenteilung bedeutet ausreichend Ausstattung der Polizei, ein demokratisch kontrollierter Polizeiapparat sowie die Trennung der Gesetzgebung im Parlament von der Rechtsprechung.  

Konföderation mit den friedlichen Nachbarländern Europas

Der Nationalstaat wurde 1832 nach innen verstanden als Ausdruck einer Organisationsform zum Schutz des Individuums vor willkürlichen Übergriffen. Nach außen wurde er eben nicht in Abgrenzung zu den europäischen Nachbarstaaten gesehen, so wie es dann erfolgte, als durch Bismarck und Kaiser Wilhelm nach drei Kriegen mit Nachbarstaaten (Österreich, Dänemark und insbesondere Frankreich) 1871 das Deutsche Reich geschaffen wurde. Sondern im Gegenentwurf zum Wartburgfest 1817 war der Wunsch beim Hambacher Fest, ein Ende der wirtschaftlichen und politischen Willkür durch die Adligen: d.h. der Nationalstaat in Abgrenzung zu den 39 Einzelstaaten diverser Fürstenhäuser, Herzogtümer und Königreiche. Eine „Konföderation mit den friedlichen Nachbarländern“, ein Vorläufer der europäischen Einheit, wurde außenpolitisch von Johann August Wirth in seiner Rede beim Hambacher Fest angestrebt. 

Nun schafft der Nationalstaat alleine ja noch keine Demokratie, sondern bestenfalls einen Wechsel der Machtelite. Aber die aufstrebenden, oft liberalen Bürgerlichen wollten nicht nur die Adligen beerben, was deren Macht angeht. Ein Hauptschwerpunkt ihrer Forderungen war die Pressefreiheit, in dem Wissen, dass man ohne pluralistische Presse von Fake News, nämlich Gerüchten, abhängig ist und sich entsprechend wirr eine oder keine politische Meinung bildet. Auch der Zugang zu Bildung war ein wesentliches Thema, und nicht umsonst haben sowohl die Tochter von Philipp Abresch, dem Fahnenträger vom Hambacher Fest, als auch die Enkelin sich aktiv für Frauenbildung eingesetzt.

Damit sind wir schon beim dritten Kontinuum der Forderungen des Hambacher Festes:

Aktive Beteiligung an der Demokratie

Eine funktionierende Demokratie lebt von der Beteiligung und Mitgestaltung aller Bürger/innen. „Demokratie ist etwas anderes als ein Fußballspiel. Demokratie ist nichts zum Zuschauen“ (Bernie Sanders). Sie haben mit dem Hambacher Fest einen demokratischen Flashmob angezettelt, mit dem keiner gerechnet hatte: Die Winzer, Landwirte, Tabakhändler, Tagelöhner/innen und all die sogenannten kleinen Leute haben nicht mehr rumgejammert, dass sie von „denen da oben“ so schlecht behandelt werden, sie haben sich zusammengeschlossen, Lieder (um-)gedichtet, Pamphlete geschrieben und veröffentlicht. Im Januar 1832 wurde in Zweibrücken der „Pressverein“ gegründet und ein Fond eingerichtet, damit die liberalen Journalisten, die durchaus auch kontroverse Meinungen hatten, ausreichend Geld haben, um eine freie Zeitung zu veröffentlichen. So wie das die taz mit ihrer Genossenschaft beispielsweise heute auch tut, um eine unabhängige Presse zu gewährleisten. 

Und neben dem Kampf für eine Verbesserung ihrer eigenen Lebensumstände haben sie es noch geschafft, für die polnischen Menschen, die nach der Niederschlagung des „Novemberaufstandes“ 1830/1831 gegen den Zaren fliehen mussten, medizinische, finanzielle und ideelle Unterstützung zu verwirklichen und damit europäische Solidarität zu leben. Einer der Redner vom Hambacher Fest, Johann Becker, ein Bürstenbinder aus Frankenthal, war dann auch bei der Gründung der ersten Internationalen 1864 dabei.  

Insbesondere dieser wichtige Teil des Hambacher Fests macht es so fragwürdig, dass heute die Rechten sich auf die Tradition des Hambacher Fests beziehen wollen. Für das Hambacher Fest von 1832 und die Umsetzung der Grundrechte für alle Deutschen auf der Basis des Code Civil, – dem Vorläufer des heutigen Bürgerlichen Gesetzbuch – , der in der Pfalz seit der Zeit gültig war, als die Pfalz nach der Französischen Revolution zu Frankreich gehörte, haben viele Männer und Frauen ihr Leben aufs Spiel gesetzt, wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt oder sind ins Exil gegangen. 

Daher ist das Hambacher Fest von 1832 Ausdruck einer demokratischen Emanzipationsbewegung, auch wenn die Menschen natürlich im Denken und Fühlen ihrer Zeit verhaftet waren. Das Hambacher Fest ist nicht beliebig interpretierbar!