Neue „fake news“ von Dr. Wolfgang Kochanek

„Bei der BASF in Ludwigshafen wird nichts investiert“

Streit um das Erbe des Hambacher Festes“ war eine Veranstaltung des Protestantischen Kirchenbezirks Neustadts und des Regionalen Bündnisses gegen Rechts überschrieben, die am 25. April 2023 im Casimirianum in Neustadt stattfand. Gut 70 Personen waren gekommen. Eingeladen als Referent war Ulrich Riehm vom Freundeskreis Hambacher Fest von 1832.

Riehm setzte sich u.a. mit dem Neustadter Unternehmer Dr. Wolfgang Kochanek auseinander, der, wie letztes, auch in diesem Jahr am Pfingstsonntag, 28. Mai, mit mehr als 10.000 TeilnehmerInnen von Neustadt auf das Schloss ziehen will. Seine „Weißen“ motivieren diesen Marsch in einem in Telegram-Kanälen kursierenden Aufruf:

Es werden Bürger demonstrieren, „die es nicht länger hinnehmen, dass sich eine unfähige Truppe von Ungelernten und Studienabbrechern im engen Schulterschluss mit den sie hofierenden Medien auf Kosten des Steuerzahlers schamlos bereichern, während das Land ins wirtschaftliche Chaos stürzt.“

Riehm betonte, dass er Kochanek nicht für einen Nationalisten, Rassisten, Rechtsextremisten oder Faschisten hält. Kochanek grenze sich verbal gegen Extremismus von rechts und links und gegen Gewalt ab.

Dass die Leute, die seinen Aufrufen folgen und mit ihm marschieren, dies nicht alle so sehen, war letztes Jahr am 28.5. zu erleben.

In einer Dokumentation der Stiftung Hambacher Schloss weist diese darauf hin, dass bei Kochaneks weißem Marsch auf das Schloss im letzten Jahr die Deutschlandflaggen verkehrt herum gezeigt wurde – eine insbesondere unter Reichsbürgern häufig genutztes Zeichen ihrer Staatsverachtung. Ferner wurden die Reichsflagge, die Preußenflagge, eine schwarz-weiß-rote Fahne mit einem in rechtsextremen Kreisen häufig genutzten Slogan sowie Erkennungszeichen der ‚QAnon‘-Bewegung gezeigt. „Deren Anhänger verbreiten besonders krude rechtsextreme und antisemitische Verschwörungstheorien, nach denen eine konspirative, international agierende Elite Kinder entführen und ermorden würde, um deren Blut zu trinken“, so die Stiftung Hambacher Schloss in ihrer Dokumentation der Ereignisse vom 28.5.2022.

Eine Distanzierung Kochaneks von diesen „Unterstützern“ ist nicht bekannt.

Riehm charakterisierte Kochanek in seinem Vortrag wie folgt:

  • Ein stark überhöhtes Ego,
  • ein nicht immer höflicher Kommunikationsstil,
  • ein nicht vorhandenes Abgrenzungsbedürfnis nach Rechts außen,
  • verbreitet gerne Halbwahrheiten,
  • zeigt Merkmale „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“.

Im Folgenden dokumentieren wir die leicht überarbeiteten und aktualisierten Passagen aus Riehms Vortrag, die sich auf Kochaneks Halbwahrheiten beziehen, die sich letztlich, wie schon mehrfach auch hier auf dem Blog nachgewiesen, als „fake news“ herausgestellt haben.

Kochanek diskutiert über „Demokratie-Simulation“

Am 27.3.2023 nahm Kochanek an einer Diskussion teil, die auf dem Youtube-Kanal des Online-Magazins Rubikon übertragen wurde. (Zu Rubikon vgl. etwa Belltower: Rubikon Querfront-Magazin oder Uebermedien: Rubikon Zweifel in der eigenen Echokammer.) Titel dieser Diskussion: „Die Demokratie-Simulation“. Teilnehmer waren neben Kochanek, Michael Andrick, „Philosoph und Führungskraft“, Roland Rottenfußer, Chefredakteur von „Hinter den Schlagzeilen“ und Rubikon und mehr oder weniger moderierend Walter van Rossum, Publizist und u.a. Unterzeichner einer Erklärung „Aufstehen fürs Überleben“ vom Februar 2023, in der u.a. vor einer von den Massenmedien geschürten Kriegsbegeisterung gewarnt und sofortige Friedensverhandlungen für den „Ukraine-Krieg“ gefordert wurde.

Populisten sind Meister im Erfinden und Verbreiten von Halbwahrheiten. Wenn man Halbwahrheiten genauer nachgeht, dann stellen sie sich letztlich oft als Unwahrheiten heraus.

Kochanek: Bei der BASF in Ludwigshafen wird nichts investiert

Kochanek hatte zunächst als Chemiker bei der BASF gearbeitet. Deshalb, sollte man denken, kennt er sich diesbezüglich besonders gut aus. In dem Youtube-Talk am 27.3.2023 behauptet er:

Die BASF würde nichts mehr in ihrem Stammsitz in Ludwigshafen investieren.

Werksgelände der BASF in Ludwigshafen, der größte zusammenhängende Chemiestandort der Welt. Foto: Rolf Kickuth – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=98064920

Versucht man sich diesem Thema zu nähern, dann gilt es zunächst festzuhalten, dass Ludwigshafen weiterhin der größte Standort der BASF weltweit ist. Die Anzahl der MitarbeiterInnen in Ludwigshafen ist von 2021 bis 2022 sogar gestiegen, und zwar von 38.000 auf 39.000 MitarbeiterInnen. Wer in der Region schon länger lebt, weiß allerdings, dass in Ludwigshafen bei der BASF auch schon mal 50.000 und mehr beschäftigt waren, und dass aktuell weltweit und auch in Ludwigshafen ein Stellenabbau bevorsteht.

Was ist aber mit den Investitionen der BASF in Ludwigshafen?

In der Presse wurde in den letzten Wochen vor allem auf die geplante Großinvestition zu einem weiteren integrierten Verbundstandort in China abgehoben – und diese oft kritisch kommentiert. Für den neuen Standort in Zhanjiang will die BASF 10 Mrd. Euro bis 2030 investieren.

Im Konzernjahresbericht 2022 werden beispielhaft größere Sachinvestitionen aufgeführt (S. 156). Neben der schon erwähnten Großinvestition in China (Zhanjiang) sind größere Investitionen in Frankreich (Chalampé) geplant. In Deutschland wird der Neubau einer Produktionsanlage für Batteriematerialien in Schwarzheide und die Modernisierung der Produktion von Chlorformiaten und Säurechloriden in – wo wohl? – Ludwigshafen aufgeführt.

Die Zeitschrift CHEManager berichtete am 9.3.2023 zusätzlich: „BASF hat Investitionen … in Anlagen zur Weiterverarbeitung von Menthol und Linalool am Verbundstandort Ludwigshafen bekannt gegeben. Die Anlagen werden voraussichtlich ab 2026 in Betrieb genommen.“

Auf der BASF-Hauptversammlung am 27.4.2023 wurde mitgeteilt, dass die BASF in Ludwigshafen weiterhin zwei Milliarden Euro jährlich für die Modernisierung und ökologische Transformation des Standortes investiere (Mannheimer Morgen, 28.4.2023, S. 14). Das ist mehr als die „Großinvestition“ in China von 10 Mrd. Euro bis 2030, also verteilt auf 7 Jahre.

Muss man sich mit solchen Details überhaupt beschäftigen? Ich glaube schon, wenn man Kochanek immer wieder und wieder vorhalten will, dass er gerne „fake news“ verbreitet.

Branchen- und Strukturwandel eine Konstante in der Geschichte des Kapitalismus

Wer schon länger in der Region wohnt, erinnert sich, dass die Südwestpfalz (Pirmasens, Hauenstein) einmal ein Zentrum der deutschen Schuhindustrie war. 1960 arbeiteten 32.000 Beschäftigte in der rheinlandpfälzischen Schuhindustrie, im Jahr 2000 nur noch 5.000 (Die Schuhindustrie in Rheinland-Pfalz 1950 bis 2000). In der Schuhmetropole Pirmasens waren 1984 noch fast 16.000 in der Schuhindustrie beschäftigt, 10 Jahre später nur noch gut 6.000, 25 Jahre später, 2009, nur noch ein Zehntel (1.619) (Sabine Beisswenger, Sabine Weck: Pirmasens. 2010, S. 10).

Ehemalige Schuhfabrik Christian Ohr in Pirmasens. Foto: Gerd Eichmann – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35579952

Jedem fallen weitere Branchen und Regionen ein, die in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten immer wieder von einem dramatischen wirtschaftlichen Strukturwandel betroffen waren. Für die dort Beschäftigten, auch für die jeweiligen Regionen, hatte und hat dies oft katastrophale Konsequenzen. Gut, wenn diese, wie etwa bei der Beendigung des Kohlebergbaus im Ruhrgebiet oder bei der geplanten Beendigung des Braunkohleabbaus im Osten Deutschlands, einigermaßen sozial abgefangen werden.

Aus diesem in einer kapitalistischen und globalisierten Welt andauernden Strukturwandel einen Sturz ins „wirtschaftliche Chaos“ an die Wand zu malen, ist purer Populismus zum Zwecke der Angstmacherei. „Crash-Propheten“ machen ein Geschäftsmodell mit ihren Vorträgen und Büchern daraus. Der Lebensstandard in Deutschland ist trotz, vielleicht sogar wegen dieser stetigen Anpassungen an neue wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen in den letzten Jahrzehnten „in the long run“ gestiegen – trotz aktueller Einkommenseinbußen aufgrund der momentan hohen Inflationsrate.

Bei aller berechtigten Kritik an bestimmten wirtschaftspolitischen und unternehmerischen Entscheidungen zu Lasten der Beschäftigten, ist das Hantieren mit Halbwahrheiten im Stille Kochaneks ein durchschaubares Manöver, Leute gegen das politische System in Deutschland aufzuhetzen und letztlich in die Hände von Verächtern und Gegnern der Demokratie zu treiben.

Ulrich Riehm, Freundeskreis Hambacher Fest von 1832

Weitere Widerlegungen von Kochaneks Halbwahrheiten sind auf unserem Blog zu finden, z.B.:

Aktuelle Beiträge auf dem Hambach-Blog