„Freunde, es ist nicht alles gut gelaufen an Pfingsten …“

Über die Aktionen der „Widerstandsszene“ am Pfingstwochenende in Neustadt

„Freunde, es ist nicht alles gut gelaufen an Pfingsten in Neustadt.“ Das verkündete Karl-Friedrich Rothe, einer der Sprecher von FreiEinig in Neustadt, einige Tage nach Pfingsten. Was mag er damit wohl gemeint haben?

Im Folgenden unsere Sicht auf die Aktionen von FreiEinig und Co. am Pfingstwochenende 2024.

FreiEinig oder Hambach24 nennen sich in diesem Jahr diejenigen, die 2022 und 2023 noch als „Die Weißen“ antraten. „Die Weißen“, unter Führung des Wolfgang K. aus Neustadt, waren in den letzten beiden Jahren noch mit etwa 3.000 weiß kostümierten DemonstrantInnen von Neustadt auf’s Hambacher Schloss gezogen. Mehr oder weniger prominente Redner hatten markige Reden gehalten vom Untergang Deutschlands, von den unfähigen Politikern in Neustadt und Berlin und dass sich bald „richtig was ändern“ müsse. Das ist alles nachzulesen auf dem Hambach-Blog (2023 und 2022).

In diesem Jahr trat Wolfgang K. in den Hintergrund. Schon die groß angekündigte Kandidatur der „Die Weißen“ bei den Kommunalwahlen im Juni fiel aus. K. begründete dies damit, dass der parlamentarische Weg nicht mehr gangbar sei, um in Deutschland etwas zu ändern. Aber wie dann politische Änderungen erreichen, „den ganzen Scheiß“ beenden? Schwebt K. womöglich ein kleiner Putsch à la Heinrich XIII. Prinz Reuß und Co. vor? Und Karl Friedrich Rothe, der neue Anchorman von Ks. Gnaden, erklärte pragmatisch, dass man einfach zu wenig Unterstützung gefunden habe, um kandidieren zu können.

Die nachlassende Unterstützung zeigte sich auch an Pfingsten. FreiEinig hatte für den Pfingstsonntag wieder einige Tausend DemonstrationsteilnehmerInnen angemeldet. Man ging von 5.000 aus. Am Morgen des Pfingstsonntags versammelten sich auf der Festwiese in Neustadt allerdings ein kläglicher Haufen von vielleicht 600 oder 700 TeilnehmerInnen.

In diesem Jahr waren auch keine Reichsbürgerfahnen wie im letzten Jahr zu sehen. FreiEinig gibt sich moderat: „Wir sind nicht die Bösen“ .

Fastnachts- oder Reichsbürgerumzug? Wolfgang B. führt den Demonstrationszug von FreiEinig am Pfingstsonntag 2024 an (Foto: privat)

Allerdings wurde der Demonstrationszug mit der Trommeltruppe vom Reichsbürger Wolfgang B. aus Lorsch angeführt. Dieser hatte bekanntlich bei einer Versammlung auf dem Gelände des Hambacher Schlosses am 13.8.2023 die „Sicherheitsorgane“ aufgefordert, die Befehle zu verweigern, was von den dort Versammelten heftig beklatsch und von der Moderatorin, einer Tanja aus Mainz bzw. Heidesheim, als „bewegende Rede“ abmoderiert wurde: „Hut ab, lieber Wolfgang, Hut ab für deine Worte!“

FreiEinig hatte verzichtet, auf dem Schlossgelände die Abschlussversammlung abzuhalten, da man sich nicht wieder, wie 2023, „spalten“ lassen wollte. Denn das Schlossgelände ist begrenzt auf maximal 1.400 Personen, so dass im letzten Jahr nur ein Teil der rund 3.000 DemonstrantInnen auf das Schlossgelände durfte, was in der „Bewegung“ heftig kritisiert wurde.

Mit 700 „Systemgegnern“ wäre es in diesem Jahr kein Problem gewesen, aber man hatte ja mit mehreren Tausend gerechnet. So zog der Demonstrationszug am Schlossberg vorbei und wieder runter nach Hambach zur Abschlusskundgebung auf dem Parkplatz an der Dammstraße – vorbei an vielen Transparenten und Plakaten „Neustadt bleibt bunt“ und manchen über der Straße hängenden weißen Unterhosen mit braunen Streifen. Diese Leute waren nicht willkommen in Hambach!

Eines der vielen Transparente in Hambach an Hausfassaden, Balkonen, Gartenzäunen: Neustadt bleibt bunt (Foto: privat)
Weiße Unterhosen mit braunen Streifen in Hambach (Foto: privat)

Für Pfingstsamstag wollte FreiEinig die Innenstadt von Neustadt mit mehreren Bühnen und vielen Ständen der „Initiativen“ aus der ganzen Bundesrepublik dominieren. Dazu gehörten die „Steh-Auf-Gruppen“ etwa aus Bellheim, Herborn, Neustadt, Leipzig, München sowie die „Steh-Auf-Gruppen“ einer Milchbäuerin, von Eltern, Landwirten, Studenten. Außerdem waren z.B. vertreten die Ärzte für Aufklärung, die Initiative Bargelderhalt, die Partei Die Basis, die Galerie der Erkenntnis, IDA Heidelberg und die Nachdenkseiten des Albrecht Müller aus der Südpfalz, um nur einige zu erwähnen.

Während die Stände der für die Europa- und Kommunalwahlen um Stimmen werbenden Parteien in der Innenstadt dicht umlagert waren, war der Zuspruch zu den oben erwähnten Initiativen bescheiden. Absurdes Theater konnte man auf dem Hetzelplatz beobachten, wo von einer großen Bühne Dauerredner und Dauersänger einen Samstag lang vor zwei bis drei aufgestellten Kameras einen leeren Platz beschallten.


Pfingstsamstag auf dem leeren Hetzelplatz in Neustadt. Dauerredner vor Kameras (Foto: privat)

Dagegen war die Mahnwache und der Infostand des Regionalen Bündnisses gegen Rechts am Kartoffelmarkt, u.a. unterstützt von den Omas gegen Rechts, gut besucht.

Es sei noch eine Episode vom Nach-Pfingst-Wochenende ergänzt. Am Samstag, 25.5.2024, fand in Frankfurt am Main eine „Großdemonstration“ der „Wir-leben-in-einer-Diktatur“-Szene statt. Unter den Rednern auch Wolfgang Kochanek und Karl-Friedrich Rothe aus Neustadt. So richtig viele waren nicht nach Frankfurt gekommen, ein ähnliches Bild wie in Neustadt eine Woche zuvor. Kochaneks Anchorman Karl-Friedrich erklärte etwas zerknirscht, „Freunde“, sein Lieblingswort, „es ist nicht alles gut gelaufen an Pfingsten in Neustadt. Sprecht mich an, wenn ihr Kritik habt.“ Subversiv und kampfeslustig rief er dann die Versammelten auf, am nächsten Tag, Sonntag, 26.5.2024, erneut nach Neustadt zum Demokratiefest von Stiftung Hambacher Schloss und Stadt Neustadt zu kommen. Zieht unter eure Jacken und Pullover, liebe Freunde, weiße T-Shirts an. Punkt 14 Uhr werden wir auf dem Schloss die Pullover ausziehen und uns in weiß zeigen: Wir sind mehr! So Rothes Aufruf zum Kostümfest.

Man sah sie dann, die weiß Kostümierten, an einem Biertisch sitzend, darunter ihr bester Freund, der Reichsbürger aus Lorsch, mehr oder weniger unauffällig auffällig unter den Gästen des Demokratiefestes. Diese waren eindeutig mehr.

Ulrich Riehm, Freundeskreis Hambacher Fest 1832

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