Ganz in Weiß, doch ohne Blumenstrauß

Kochanek umarmt das Demokratiefest und verzichtet auf Rechtsmittel

14 Wochen stand 1966 der Titel „Ganz in Weiß“ von Roy Black auf Platz eins der deutschen Single-Chart. Dr. Kochanek kann diesen Hit aus seiner Jugend mit Sicherheit mitsummen, vielleicht sogar mitsingen. Kochanek kann den 1991 früh verstorbenen Roy Black nicht mehr auf sein spezielles Event am 28.5.2022 einladen, aber in Anlehnung an diese großartige deutsche Schnulze hat er seine Anhänger aufgefordert, an diesem letzten Mai-Samstag „ganz in Weiß“ nach Neustadt zu kommen

Dr. Wolfgang Kochanek am 23.4.2022 in Landau (Quelle: Screenshot Politik Spezial auf Telegram)

Landau, 23.4.2022

Ganz in Weiß, doch ohne Blumenstrauß stand Kochanek am 23.4.2022 in Landau erneut auf der Bühne einer Versammlung von Impfgegnern und Querdenkern. Neben seinen allgemeinen politischen Einschätzungen zur angeblich miserablen wirtschaftlichen wie politischen Lage in Deutschland beschäftigt er sich in seiner rund 20-minütigen Rede vor allem mit juristischen Aspekten seiner geplanten Veranstaltung in Neustadt.

Ein kurzer Rückblick

Am 17.1. hielt Kochanek auf dem Neustadter Marktplatz eine Rede vor rund 700 Teilnehmern und wurde dadurch so euphorisiert, dass er wenige Tage später bei der Ordnungsbehörde Neustadt eine Großdemonstration von 30.000 Personen für den 28.5. anmeldete. Diese Demonstration wurde durch die Behörde mit Auflagen versehen, die wir nicht im Einzelnen kennen. Aber so viel ist bekannt: Kochanek darf natürlich demonstrieren, aber nicht am 28.5. – da findet schon das Demokratiefest statt –, sondern eine Woche zuvor. Erwartbar war, dass sich Kochanek dagegen auflehnt und rechtliche Schritte ankündigt und auch den Gang durch höhere Gerichtsinstanzen beschreiten will. So war die Lage Ende März.

Kochanek kneift

Davon ist in Landau am 23.4. keine Rede mehr. Kochanek erläutert zwar ausführlich alle möglichen Rechtsmeinungen, will aber nicht mehr gegen die Stadt Neustadt um sein Demonstrationsrecht klagen. Warum dieser Rückzug? Befürchtet Kochanek zu unterliegen?

Dass am 28.5. „30.000 und mehr“ seiner AnhängerInnen nach Neustadt kommen, davon ist er weiterhin überzeugt. Nur sollen diese jetzt, alle in Weiß gekleidet, das Neustadter Demokratiefest (1832 Das Fest der Demokratie ’22) fluten und an einem Freiheitsmarsch der Stadt teilnehmen.

Mit dem Freiheitsmarsch hat es, so Kochanek, die folgende Bewandtnis: Die Stadt Neustadt habe alle Unternehmen der Stadt angeschrieben, sie mögen doch mit möglichst vielen UnterstützerInnen an diesem Marsch teilnehmen. Einen Preis gewinnt – wie bei einer Weitwanderung oder einem Volkslauf – , wer die meisten MarschiererInnen mobilisiert, die die Stationen ablaufen und dort jeweils ihre Stempelkarten stempeln lassen. Er habe als Neustadter Unternehmer auch eine solche Einladung bekommen und wolle nun „seine“ 30.000 zum Stempeln animieren. Man mag diesen Freiheitsmarsch mit Stempelkarten für nicht die tollste Idee für den 190. Jahrestag des Hambacher Festes halten, aber Kochaneks Strategie ist klar.

Kapern, unterwandern, übernehmen

Er will durch seinen erhofften Massenaufmarsch das Demokratiefest kapern, unterwandern, übernehmen. Ähnliches probierte Kochaneks neuer Freund Max Otte. 2018 versuchte dieser mit rund 20 seiner Anhänger bei der Hambach Gesellschaft, ein kleiner Verein von an der Geschichte des Hambacher Festes Interessierten, Mitglied zu werden. Die Hambach Gesellschaft wehrte sich gegen diesen offensichtlichen Übernahmeversuch und bekam vor Amts- und Landgericht recht. Wie die Situation am 28.5. ausgeht, wird auch davon abhängen, ob die demokratischen Kräfte der Region auf Kochaneks Störmanöver ausreichend reagieren.

„Du bist nicht allein, …

wenn du träumst heute Abend“, heißt es in einem weiteren Roy Black-Hit aus den 1960er Jahren. Nein, Kochanek ist nicht allein, aber man könnte sich totlachen, wenn man seine Kumpane betrachtet, wenn es nicht so traurig wäre:

  • Radikale Impfgegner – Kochanek ist selbst geimpft.
  • „Freie Pfälzer“ – diese organisieren über ihre anonymen Telegram-Kanäle die „Montags-Spaziergänge“ in der Region und beklagen die „skrupellosen oder ungebildeten, unfähigen Politikmarionetten“, deren Ziel die „weitere Kontrolle und Ausbeutung der Bevölkerung“ sei.
  • Schließlich Max Otte – ehemaliges CDU-Mitglied, ehemaliger Vorsitzender der Werteunion, ehemaliger Vorsitzender des Kuratoriums der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung, ehemaliger Professor an der Fachhochschule Worms, gescheiterter AfD-Bundespräsidentschaftskandidat –, der über Putins Überfall auf die Ukraine urteilt: „Das gehört sich nicht“. Max Ottes Propaganda-Kanal macht mittlerweile heftig Reklame für Dr. Wolfgang Kochanek.

Kochanek behauptet, er würde von Rechts bis Links die politischen Kräfte des Landes zusammenführen. Doch bisher sind keine linken Kräfte zu finden, die Kochanek unterstützen würden, aber jede Menge rechte. Dabei wird es wohl auch bleiben. Oder wird wirklich wahr, was in Neustadter Kreisen schon gemunkelt wurde, dass auch Sahra Wagenknecht – Max Otte hält große Stücke auf sie – zu Kochaneks „Giga-Demo“ kommen wird?

Wie in der DDR

Mehrfach bezieht sich Kochanek in seiner Rede am 23.4. auf die Zustände in der DDR. Man wolle das „weitere Abgleiten dieses Landes in DDR-Zustände“ verhindern. Ein kurzer Faktencheck zeigt: Hundertausende flohen aus der DDR, solange sie noch bestand. Hundertausende kommen in die heutige Bundesrepublik. So schlimm kann es mit den „DDR-Zuständen“ im vereinigten Deutschland wohl doch nicht sein. Die Bezugnahme auf „Zustände wie in der DDR“ dient nur dem einen Zweck, die „Wir-leben-in-einer-Diktatur-Szene“ zu befeuern und zum Widerstand aufzurufen.

Übergeschnappt und/oder größenwahnsinnig?

Man traut seinen Ohren nicht, wenn man hört, wie Kochanek in Landau seinen Weiße-Hosen-und-Hemden-Marsch als Ereignis stilisiert, der „in die Geschichtsbücher“ eingehen wird:

Dies werde der Tag, an dem die Bevölkerung „in ihrer gesamten politischen Breite von links bis rechts“ nach 1832 zum zweiten Mal „mit Tausenden von Unternehmern aus ganz Deutschland“ gegen eine „kaum noch zu ertragende Verwaltungsdiktatur“ friedlich und gewaltfrei zum Hambacher Schloss ziehen werde. Weit über 30.000 weiß Gekleidete werden ein mächtiges Zeichen setzen, dass es so in diesem Land nicht mehr weiter gehen könne, so Kochanek am 23.4. in Landau.

Wir werden sehen, wie es am 28.5. in Neustadt ausgehen wird. Wir spekulieren nicht auf unseren Nachruhm in den Geschichtsbüchern. Wir setzten darauf, dass am 28.5. aus der gesamten Region viele bunt gekleidete Menschen nach Neustadt kommen und gemeinsam ein vielgestaltiges Fest der Demokratie feiern und unserem Programm-Motto gerecht werden: „Gesicht zeigen – Demokratie leben“.

Ulrich Riehm, Freundeskreis Hambacher Fest von 1832

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