Amtsgericht Neustadt: Hambach-Gesellschaft muss nicht jeden aufnehmen!

„Keine Pflicht zur Aufnahme“ titelt die Rheinpfalz am 20.9.2019 ihren Artikel über eine Verhandlung vor dem Amtsgericht Neustadt an der Weinstraße am Tag zuvor. Dort hatte ein 76-jähriges, ehemaliges AfD-Mitglied aus Villingen-Schwenningen gegen die „Hambach-Gesellschaft für historische Forschung und politische Bildung e.V.“ auf Aufnahme in diesen Verein geklagt.

Wer diesen Blog verfolgt, weiß, dass der Finanzinvestor und ehemalige Wormser Fachhochschulprofessor Max Otte 2018 zum ersten Mal ein sog. neues Hambacher Fest auf dem Hambacher Schloss feierte und dazu eine Truppe rechtskonservativer bis rechtsextremistischer RednerInnen einlud, vom AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen über Vera Lengsfeld, Thilo Sarrazin, Willy Wimmer bis zum Prediger einer neuen bürgerlichen Revolution Markus Krall.

Auf diesem Treffen im Mai 2018, so die Rheinpfalz, habe Max Otte aufgerufen, in die Hambach-Gesellschaft einzutreten. Beim Vorstand der Gesellschaft sind daraufhin 26 Mitgliedsanträge eingegangen, die mit diesem Aufruf in Verbindung gebracht werden. Nach einer intensiven Diskussion im Vereinsvorstand wurden diese Anträge alle abgewiesen. Der Vorstand der Hambach-Gesellschaft sieht darin den Versuch, den Verein durch Ottes rechtskonservative bis rechtsextremistische Anhänger zu übernehmen.

Gegen diese Ablehnung der Mitgliedschaft hatten nun einige dieser Antragsteller beim Amtsgericht Neustadt geklagt. Auch Max Otte selbst hat eine solche Klage angekündigt. Die erste Verhandlung fand am 19.9.2019 statt. Der Anwalt des Klägers gegen die Hambach-Gesellschaft argumentierte, diese habe in Bezug auf das Hambacher Fest eine Monopolstellung. Außerdem wisse er nur von 15 Antragstellern und Teilnehmern von Ottes Hambach-Treffen, von einer Unterwanderung könne also keine Rede sein.

Am 24.10.2019 ist nun das Urteil des Amtsgerichts Neustadt ergangen. Die Klage des 76-Jährigen aus Villingen-Schwenningen auf Aufnahme in den Verein wurde abgewiesen. Amtsrichter Matthias Frey verwies auf die Satzung der Hambach-Gesellschaft, in der festgehalten ist, dass über die Aufnahme eines neuen Mitglieds der Vorstand entscheide. Eine Aufnahmepflicht gebe es nicht. Eine Monopolstellung des Vereins, so Amtsrichter Frey, sei auch nicht zu erkennen. Jeder könne mit sechs Interessierten einen weiteren Hambach-Verein gründen. Auch lasse die Begründung des Vereinsvorstandes nicht auf Willkür schließen.

Unter dem Titel „Ein Verein zeigt Zivilcourage“ kommentiert Wolfgang Kreilinger in der Rheinpfalz vom 25.10.2019 das Urteil:

„Es ist schon sehr unverfroren, die Werte des Hambacher Festes, das für die Forderung nach Meinungsfreiheit und Demokratie in absolutistischen Fürstentümern stand, für die Kritik an der aktuellen Flüchtlingspolitik zu missbrauchen. Deutsche, Polen und Franzosen traten in Hambach 1832 für Werte ein, von denen die Rechtspopulisten heute profitieren.

Daraus abzuleiten, auch in einen Verein eintreten zu wollen, der ganz andere Werte vertritt, ist abwegig. Dass die Hambach-Gesellschaft sich dagegen wehrt, ist Ausdruck von Zivilcourage. Das Gericht hat der versuchten „feindlichen Übernahme“ deutlich Einhalt geboten. Es ist kaum vorstellbar, dass sich das auf dem Instanzenweg ändert. …“

Am 9.1.2020 soll eine weitere Klage gegen die Hambach-Gesellschaft verhandelt werden. Für Max Ottes Klage gibt es dagegen noch keinen Termin, der auch das Urteil des Amtsgerichts vom 24.10.2019 auf Twitter noch nicht kommentiert hat.

Das noch nicht rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts ist hier abrufbar.

Über die Hambach-Gesellschaft für historische Forschung und Bildung e.V.

Die Hambach-Gesellschaft ist ein 1986 gegründeter Verein von zurzeit etwa 100 Personen, im Wesentlichen aus der Rhein-Neckar-Region. Darunter sind Wissenschaftler, etwa Politologen und Historiker, aber auch sonstige Interessierte. Die Hambach-Gesellschaft betreibt, wie es der Name besagt, historische Forschung und politische Bildung durch öffentliche Vorträge, wissenschaftliche Kolloquien und die Herausgabe eines Jahrbuchs. Ihr derzeitiger Vorsitzender ist der Mannheimer Historiker Prof. Dr. Wilhelm Kreutz, der dem Hambach-Blog ein umfangreiches vierteiliges Interview zur Bedeutung des Hambacher Festes von 1832 gegeben hat.

Beim ersten sog. neuen Hambacher Fest von Max Otte 2018 hatte sich die Hambach-Gesellschaft zusammen mit der Siebenpfeiffer-Gesellschaft gegen den Missbrauch des Hambacher Festes durch Max Otte in einer öffentlichen Erklärung positioniert. Dort hieß es u.a.: „Gewiss kann es kein Monopol der Interpretation Hambachs oder des Hambacher Erbes geben. Das Hambacher Fest 1832 war nicht zuletzt eine Manifestation der Redefreiheit. Dennoch fragen wir, wie ernst die Redner des „Neuen Hambacher Fests“ das zentrale Anliegen ihrer „Vorväter“ nehmen, besonders das Bekenntnis zu Europa und die Solidarität mit aus ihrer Heimat Vertriebenen.“ (zitiert nach https://hambacherfest1832.blog/2018/05/05/das-wars-wars-das/)

Hambach-Gesellschaft will Aufnahme Klage von Prof. Otte zurückweisen

Bereits am 16.4.2019 dokumentierte der Hambach-Blog die Presseerklärung der Hambach-Gesellschaft, in dem die Aufnahme von Max Otte und seiner Gesinnungsfreunde zurückgewiesen wird.

(UR)