Die Stadt Neustadt hat die Kundgebung und die Demonstration, die von Wolfgang Kochanek für Pfingstsonntag angemeldet wurde, untersagt. Kochanek wollte mit mehr als 10.000 TeilnehmerInnen von Neustadt auf das Hambacher Schloss ziehen. Ausschlaggebend für diese Verfügung war u.a., dass der Neustadter Unternehmer mehrfach öffentlich erklärt hatte, dass er sich nicht an die Auflagen der Stadt halten werde. Mittlerweile wurde bekannt, dass ein gewisser Rechtsanwalt Ludwig gegen dieses Verbot am 21.5. beim Veraltungsgericht Widerspruch eingelegt und zugleich Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beantragt hat. Also warten wir es ab, was in dieser Woche noch passiert. Es bleibt spannend.

Bekannt ist aber nun, wen Kochanek an „Prominenz“ für sein sog. „Hambacher Fest 2.0“ aufgeboten hat. „Dabei sein“ werden neben dem Begründer der „Weißen-Bewegung“, also Kochanek selbst, auch „Michael Ballweg, Prof. Max Otte, Markus Krall, Dr. Monika Jiang, Jan Veith und Dr. Daniel Langhans“. So war es auf einem Flyer der Weißen vom 14.5.2023 zu lesen, der auf diversen Telegram-Kanälen kursierte.
Beschränken wir uns in der Betrachtung derjenigen, die Kochanek eingeladen hat, auf Max Otte und Markus Krall, da diese bereits 2018 bis 2020 das Hambacher Schloss für ihre antidemokratischen Treffen genutzt hatten.
Max Otte
Max Otte, ehemaliger Hochschulprofessor in Worms, ehemaliges CDU-Mitglied, ehemaliger Vorsitzender des Beirats der AfD-nahen Desiderius Erasmus Stiftung, ehemaliger Vorsitzender der rechtskonservativen Werteunion, ehemaliger AfD-Kandidat bei der Wahl zum Bundespräsidenten, veranstaltete 2018 ein als Firmenveranstaltung getarntes Zusammentreffen von konservativ bis rechtsextrem auf dem Hambacher Schloss, das er „neues Hambacher Fest“ nannte.
Eingeladen als Redner zu diesem schwarz-braunen Treffen waren u.a. der Klassist und Rassist Thilo Sarrazin, der damalige AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen, die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin und über Grüne und CDU ins Abseits geratene Vera Lengsfeld sowie Markus Krall, damaliger Hauptgeschäftsführer von Degussa Goldhandel.
Krall war auch einer der „Starredner“ bei Ottes zweitem sog. neuen Hambacher Fest 2019 im Saalbau in Neustadt. 2020, coronabedingt im kleineren Rahmen, hatte die Stiftung Hambacher Schloss erneut einen Nutzungsvertrag mit Otte für sein drittes Treffen geschlossen. Erneut waren Vertreter der „Neuen Rechten“, etwa Roland Tichy, und AfD-Prominenz, u.a. der damalige und jetzige AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla, der Einladung Max Ottes gefolgt. Vera Lengsfeld erhielt den von Otte gestifteten „Preis für Zivilcourage“.

Ottes Hambach-Treffen als rechtspopulistisch zu kennzeichnen, ist eher verharmlosend. Seine Absicht war klar erkennbar: Als (damaliges) CDU-Mitglied wollte er die sog. „Merkel-CDU“ weit nach rechts öffnen und insbes. die AfD für sein wohlsituiertes bürgerliches Publikum, das er als Fonds-Manager auch mit Vermögenstipps versorgte, öffnen.
Seht mich liberales, ein bisschen unkonventionelles, aber harmloses und nettes CDU-Mitglied an, war seine Masche, wenn er Gitarre spielend von der grenzenlosen Freiheit sang. Ich habe viele Freunde bei der AfD, so schlimm, wie das die „Systemparteien“ und die „Mainstreammedien“ darstellen, sind die nicht. Wir müssen jetzt in einem breiten Bündnis den gleichen Kampf um Freiheit führen, den bereits die Hambacher von 1832 geführt hatten. Denn die politischen Verhältnisse ähneln denen der Zeit von 1832. So mögen in etwa Ottes „strategische“ Überlegungen gewesen sein.
Markus Krall
Max Otte hatte Markus Krall sowohl 2019 als auch 2020 nach Neustadt als Redner eingeladen. Kralls Buch aus dem Jahr 2020 mit dem Titel „Die bürgerliche Revolution“ handelt nicht von 1832 oder 1848, sondern von den Vorbereitungen für eine bürgerliche Revolution gegen den, nach seiner Einschätzung, bei uns heute herrschenden „Sozialismus“.

Bereits 2019, bei Ottes erstem sog. neuen Hambacher Fest verkündete Krall im Festsaal des Hambacher Schlosses:
„Wir brauchen den Rollback des 68er-Marsches durch die von ihnen korrumpierten Institutionen. Und um das zu erreichen, muss das deutsche Bürgertum lernen, wie Revolution geht. [Heftiger Beifall, zustimmende Zwischenrufe] In Abwandlung eines Lutherzitats möchte ich dazu sagen: Das deutsche Bürgertum muss sagen können ‚Hier stehe ich, ich kann noch ganz anders! [heftiger Beifall] Dann helf‘ euch Gott! Amen.‘ “
Und am Schluss seines Vortrags zitiert er Thomas Jefferson, Präsident der Vereinigten Staaten von 1801-1809:
„Der Baum der Freiheit muss von Zeit zu Zeit mit dem Blut von Patrioten und der Tyrannen begossen werden. Dies ist der Freiheit natürlicher Dünger.“ [Gemurmel bei den Zuhörern]
Wenn Rechtsextremismus nicht nur eine Ideologie der Ungleichwertigkeit, sondern auch die Befürwortung von Gewalt zur Veränderung politischer Verhältnisse beinhaltet, dann muss man Markus Krall als Rechtsextremisten bezeichnen.
Obwohl er die „Freiheit“ in jedem zweiten Satz im Munde führt – in erster Linie meint er damit die Freiheit des Marktes, des freien Unternehmertums und der Besitzenden, ist Krall ein Antidemokrat. Er skizziert sein antidemokratisches politisches Programm in dem schon erwähnten Buch von der „Bürgerlichen Revolution“ und in einem weiteren Buch, „Freiheit oder Untergang“ (2021).
So erstrebenswert die Demokratie auch sei, verkündet er scheinheilig, ihr wohne „der selbstzerstörerische Keim der Korruption durch eine faule, aber gierige Mehrheit“ inne, „die gerne eine Minderheit der Leistungsträger ausbeuten möchte.“ (Krall: Bürgerliche Revolution). Sein Vorschlag: Das Wahlrecht soll nur noch den etwa 15 Mio. „Leistungsträgern“ der Gesellschaft zustehen.
„Jeder Wähler sollte wählen dürfen zwischen der Ausübung seines Wahlrechts und dem Recht auf Empfang staatlicher Transfers“ (Krall: Bürgerliche Revolution).
Wer staatliche Subventionen beantrage und erhalte, etwa Bafög, Bürgergeld, Kindergeld, habe sein Wahlrecht verloren. Ein neues Klassenwahlrecht, wie im Kaiserreich, schwebt ihm da offensichtlich vor.
Die Begeisterung für das Kaiserreich drückt sich bei Krall nicht nur in einer Reduzierung der Staatstätigkeit auf einen Minimal-Staat aus, sondern auch in seinem Wunsch nach einem (Wahl-)Monarchen, der – auf Lebenszeit „gewählt“ – gegen alle Beschlüsse eines (Rumpf-)Parlaments sein Veto einlegen könne.
Mit der politischen Ordnung, die das Grundgesetz festlegt, hat dies alles nichts mehr zu tun.
Erwähnenswert ist noch, dass Krall, wie Zeit online am 5.5.2023 berichtete, Kontakt zu den Reichsbürgern um Prinz Reuß hatte. Diese wollten ihn als „Finanzminister“ für ihre Putschregierung gewinnen. Es soll mindestens ein direktes Treffen zwischen Krall und Reuß gegeben haben. Bei der Großrazzia im Dezember 2022 sei auch die Wohnung von Markus Krall durchsucht worden. Er galt den Behörden allerdings nicht als Beschuldigter, sondern als „nichtbeschuldigter Drittbetroffener“. Kralls Affinität zur Gewalt, seine Verherrlichung des Kaiserreichs und sein antidemokratisches, elitäres Programm war offensichtlich die Grundlage dafür, dass die Möchtegern-Putschisten um Prinz Reuss Markus Krall gerne gewinnen wollten.
Wolfgang Kochanek
Kochanek betont gebetsmühlenartig in all seinen öffentlichen Äußerungen, dass seine Bewegung die wahre Mitte vertrete, und man sich strikt vom Rechts- wie Linksextremismus und von jeder Form von Gewalt abgrenze. Nur konnte man bisher nicht beobachten, dass er sich tatsächlich von Reichsbürgern, „freien Pfälzern“ und Rechtsextremisten wie Markus Krall distanziert hätte.
Das Gegenteil ist der Fall. Er sucht deren Nähe und lädt sie zu seiner Demonstration an Pfingstsonntag ein.
Anfang Mai saß Kochanek – in einem der vielen „alternativen“ Gesprächsrunden, die über Youtube übertragen werden – mit Markus Krall an einem Tisch.
Gesprächsrunden mit Rechtsextremisten werden von denjenigen, die sich nicht gerne nachsagen lassen wollen, dass sie deutlich nach rechts gedriftet sind, mit dem Postulat der Meinungsfreiheit verteidigt. Eine „Kontaktschuld“ könne es nicht geben. Man müsse mit jedem diskutieren können, das sei wahre Demokratie.
Die Gegenposition aber lautet, dass diejenigen, die sich gegen eine vorgebliche Einengung des „Meinungskorridors“ wenden, eine den Meinungskorridor erweiternde Kontroverse gar nicht suchen. Krall wie Kochanek waren sich vielmehr einig, dass Deutschland demnächst wirtschaftlich wie politisch Schiffbruch erleiden werde. Das rechtsextremistische und antidemokratische Programm von Krall, über das es ja vielleicht eine kontroverse Debatte hätte geben können, stand nicht zur Diskussion.
Denn Kochanek sucht nicht nur das Gespräch mit Rechtsextremisten vom Schlage eines Markus Krall, er verbündet sich direkt mit ihm.
Kochanek betreibt seit einiger Zeit eine Sammlung von Unternehmern, die mit seinen politischen Auffassungen übereinstimmen. Das läuft unter dem Slogan „Unternehmer stehen auf“. Über eine Website kann man verfolgen, wie viele lokale „Cluster“, vulgo „Ortsgruppen“, es schon gibt.
Krall hat eine ähnliche Sammlungsbewegung seiner Anhänger bereits ab 2018 initiiert. Diese nennt sich „Atlas Initiative“. Andreas Kemper hat den Entstehungsprozess kritisch begleitet. Sie umfasst, so Kochanek, etwa 4.000 Mitglieder.
Kochanek propagiert nun ein Bündnis von „Unternehmer stehen auf“ und Kralls „Atlas Initiative“.
Der vorläufig letzte Schritt bei Kochaneks Öffnung weit nach rechts ist die Einladung an Markus Krall, am Pfingstsonntag, zusammen mit Max Otte und anderen Personen dieser Szene, nach Neustadt an Kochaneks Kundgebung und Demonstration teilzunehmen. In den Aufrufen der Weißen für den Pfingstsonntag werden die prominenten Teilnehmer deutlich herausgestellt. Kochanek möchte deren Anhänger gerne in seine „Bewegung“ integrieren, und er zeigt keinerlei Scheu vor dem Schulterschluss auch mit Gegnern der Demokratie.
Kochanek gibt Rechtsextremisten eine Plattform, ohne die Auseinandersetzung mit ihnen überhaupt zu suchen, weil er sich längst deren Ansichten angenähert hat.
In einem Beitrag über Wolfang Kochanek auf dem Hambach-Blog vom 17.4.2022 war zu lesen:
„Man kann hier einen Menschen beobachten, wie er auf die ‚schiefe Bahn‘ nach rechts gerät und bis zum 28.5. [2022], wenn er nicht aufpasst, ganz unten im rechtsextremen oder neurechten Sumpf landet.“
Am 28.5.2023, Pfingstsonntag, ist Kochanek unzweifelhaft dort gelandet, egal welche „liberalen“ Sprüche er von sich gibt.
Ulrich Riehm, Freundeskreis Hambacher Fest von 1832
Danke für Verbesserungsvorschläge an einem ersten Entwurf dieses Blogbeitrags aus dem Freundeskreis.
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