Wolfgang Kochanek wäre noch vor gut zwei Jahren als ein etwas eigenwilliger, radikal-liberaler Anhänger der FDP durchgegangen. Nachdem er im Winter 2022 bei Protesten gegen die Corona-Maßnahmen und die „diktatorischen“ Verhältnisse, unter denen man in Deutschland leben muss, mehrere Auftritte hatte, war fast schon absehbar, dass er im rechten Sumpf landen würde. Am 19.2.2022 verkündete er in Landau:
„Diese angeblichen politischen Eliten, die im Hintergrund ihre eigene Agenda verfolgen, haben alle Institutionen des Staates bis hin zum Bundesverfassungsgericht ausgehöhlt und mit ihren willfährigen Vasallen besetzt.“
Wolfgang Kochanek am 19.2.2022 in Landau
Das klingt schon schwer nach einer Verschwörungserzählung. Dass der „Unternehmer aus Neustadt“ sich an Pfingsten 2023 mit dem Antidemokraten und Rechtsextremisten Markus Krall verbündet, ist da nur noch konsequent. Krall würde gerne eine „bürgerliche Revolution“ ausrufen und in seinem Staat (Vorbild: Kaiserreich) das Standeswahlrecht und einen Wahlmonarchen (wieder) einführen.
Warum aber die Stiftung Hambacher Schloss, völlig überraschend und kurzfristig, ihr Gelände am Pfingstsonntag diesen Kräften zur Verleihung eines „Demokratiepreises“ zur Verfügung stellt, was aus Mitteilungen der „Weißen“ nahegelegt werden muss, ist völlig unerklärlich, um nicht zu sagen ein Skandal.
Auseinandersetzung um die Zulassung einer Demonstration
Im Dezember 2022 hatte der Neustadter Unternehmer, Dr. Wolfgang Kochanek, Gründer der „Weißen“-Bewegung und Vertreter einer bundesweiten Initiative „Unternehmen stehen auf“, eine Demonstration vom Neustadter Marktplatz auf das Hambacher Schloss für Pfingstsonntag 28.5.2023 angemeldet. Inhaltlich bleibt eher vage, für was der „Mann aus Neustadt“ mit dieser Demonstration antritt. „Genug ist genug“ ist als Kernparole auf dem Aufruf zu „Hambach 2.0“ zu finden.
Diese Demonstration wurde mit Auflagen der Stadt Neustadt zugelassen. Ein Marsch mit 10.000 TeilnehmerInnen, wie von Kochanek angekündigt, sei auf den engen Straßen zum Schlossberg sicherheitstechnisch nicht möglich, so wohl eines der Argumente des Ordnungsamtes (die Verfügung der Stadt ist nicht öffentlich), aber als Ziel der Demonstration könnte in Hambach die Dammstraße genutzt werden.
Gegen solche Demonstrationsauflagen kann man beim Verwaltungsgericht Widerspruch einlegen. Obwohl Kochanek dies angekündigt hatte, schlug er nicht diesen Rechtsweg ein. Stattdessen erklärte er mehrfach öffentlich, dass er sich nicht an die Auflagen der Stadt halte und auf jeden Fall mit seinen AnhängerInnen auf’s Schloss ziehen werde.
Die Stadt sah sich daraufhin gezwungen, jegliche Demonstration der Weißen und „Wir-leben-in-einer-Diktatur“-Szene zu untersagen. Das war vor knapp einer Woche am 19.5.2023.

Dagegen ist nun Kochaneks Anwalt vor das Verwaltungsgericht in Neustadt gezogen. Anscheinend, wie man den bisher nur unvollständig vorliegenden Informationen entnehmen oder sich zusammenreimen kann, hat das Gericht den Beteiligten in Vorgesprächen signalisiert, dass es vermutlich einer Aufhebung des Demonstrationsverbotes, evtl. sogar auch der ursprünglichen Demonstrationsauflagen, zustimmen werde. Es empfahl der Stadt Neustadt sowie Kochanek und seinem Rechtsanwalt eine außergerichtliche Einigung, also erneut in Gespräche einzutreten. Diese fanden gestern offensichtlich statt. Gestern Abend verkündeten dann die Weißen:
„Ralf Ludwig und sein Team haben Eilantrag beim Verwaltungsgericht gestellt. Auf Hinweis des Gerichts hat die Stadtverwaltung heute Vormittag [mit] Dr. Wolfgang Kochanek und Ralf Ludwig ein erneutes Kooperationsgespräch geführt. Das Ergebnis:
Das Verbot ist AUFGEHOBEN. Das Hambacher Fest findet statt.
Ort und Zeit: Neustadt an der Weinstraße, 28. Mai 2023, Festplatz Wiesenstraße
Der Zug läuft durch die Stadt Neustadt zur Dammstraße.
Ein Aufzug zum Schloss ist jetzt erlaubt. Polizei und Rettungsdienste haben aus Sicherheitsbedenken darum gebeten, dass zum Hambacher Schloss nur eine begrenzte Anzahl von Menschen ziehen soll. Das Schloss fasst insgesamt 2.600 Menschen.
Die Preisverleihung des Demokratie-Preises 2023 in Höhe von 10.000 € an einen ECHTEN Demokraten findet am Sonntag DIREKT auf dem Hambacher Schloss statt.
Es scheint manch Richter spricht noch RECHT!“
Mitteilung der „Weißen“ am 24.5.2023 abends
Falsch ist in dieser Stellungnahme, dass „manch Richter“ noch Recht spreche, da es in dieser Sache offensichtlich keinen Richterspruch gab. Unklar ist der Hinweis, dass der Zug zur Dammstraße geht (das war in den Auflagen der Stadt zu Kochaneks Anmeldung einer Demonstration zugesagt) und dass gleichzeitig der „Aufzug zum Schloss“ erlaubt sei (was in den Auflagen der Stadt noch untersagt war). Seltsam die Formulierung, dass Polizei und Rettungsdienste darum „gebeten“ haben, die Anzahl der Schlossdemonstranten auf 2.600 zu begrenzen. Völlig dubios ist die Ankündigung, die „Preisverleihung“ der „Weißen“ finde „direkt auf dem Hambacher Schloss“ statt.
Hat dem die Stiftung Hambacher Schloss, die natürlich das Hausrecht auf ihrem Gelände hat, zugestimmt?
Die Stiftung hatte im letzten Jahr noch einen respektablen Aufruf („Hambacher Intervention“) initiiert, in der es u.a. heißt:
„Zugleich distanzieren sie sich von allen Initiativen oder Gruppierungen, die die Corona-Krise oder den Krieg Russlands als Mittel missbrauchen, um mit radikaler Rhetorik unsere Gesellschaft zu spalten und unsere Demokratie in Verruf zu bringen.“
Hambacher Intervention Mai 2022
Bei Redaktionsschluss dieses Beitrags liegen noch keine offiziellen Informationen der Stadt Neustadt und der Stiftung Hambacher Schloss zu der aktuellen Entwicklung vor. Warten wir ab, wie diese aussehen.
Der Hambach-Blog wird versuchen über die weitere Entwicklung zeitnah zu berichten.
(UR)
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