Auf nach Hambach am Pfingstsonntag! Die Lage nach der Aufhebung des Demonstrationsverbots

Gestern wurde bekannt, dass die von Kochanek erwarteten 10.000 Teilnehmerinnen an seiner „Genug-ist-genug“-Demonstration doch bis aufs Hambacher Schloss ziehen dürfen. Es werden keine 10.000 werden. Da gilt meine Wette um eine Kiste Dornfelder, die ich bei der Veranstaltung am 25.4.2023 in Neustadt schon ausgesprochen habe.

Vermutlich wissen die wenigsten Weiß-Kostümierten, welchen antidemokratischen und rechtsextremistischen Führern sie folgen. Wer von diesen meint, er sei zur Verteidigung des Grundgesetzes auf dem Weg zum Hambacher Schloss, sollte sich genauer anschauen, mit welchem Programm etwa Markus Krall, den Kochanek als Gast eingeladen hat, das Grundgesetz abschaffen will: Sein Vorbild ist das Kaiserreich. Entsprechend plädiert er für die Einführung eines Klassenwahlrechts und eines (Wahl-)Monarchen. Der Sozialstaat soll bis zur Unkenntlichkeit gestutzt werden. Und gegebenenfalls müsse diese „bürgerliche Revolution“ zurück ins Kaiserreich auch mit Gewalt erkämpft werden.

Stellungnahmen des Verwaltungsgerichts, der Stadt Neustadt und der Stiftung Hambacher Schloss

Mittlerweile liegen vom Verwaltungsgericht, der Stadt Neustadt und auch der Stiftung Hambacher Schloss Stellungnahmen zur neuen Situation vor.

Das Verwaltungsgericht, das keine Entscheidung (Urteil) in der Sache gefällt hat, teil u.a. mit:

„Eine gerichtliche Entscheidung über diesen Eilantrag ist nicht mehr erforderlich, weil sich die Beteiligten im Rahmen einer von ihnen durchgeführten Besprechung geeinigt und den Rechtsstreit danach für erledigt erklärt haben.

Ausweislich des Ergebnisprotokolls dieses Kooperationsgesprächs haben die Beteiligten folgende Einigung erzielt, welche Gegenstand eines neuen Bescheids der Stadt Neustadt ist:

Der Aufzug beginnt auf der Festwiese und wird von dort zum Parkplatz Dammstraße geführt. Vom Parkplatz Dammstraße aus können maximal 1.500 Teilnehmer auf das Gelände des Hambacher Schlosses ziehen (abhängig davon, wie viele Versammlungsteilnehmer bereits zuvor auf das Schlossgelände gezogen sind). Die übrigen Versammlungsteilnehmer verbleiben auf dem Parkplatz Dammstraße. Gegen 14.30 Uhr soll die vom Versammlungsleiter geplante Preisverleihung auf dem Schlossgelände und die Versammlung insgesamt beendet werden.“

Verwaltungsgericht Neustadt, 25.5.2023

Die knappe Stellungnahme der Stadt Neustadt führt u.a. an:

„Nach rechtlicher Beratung und vor dem Eindruck des Verwaltungsgerichts hat der Anmelder [Kochanek] durch seinen Rechtsbeistand erklärt, die Teilnehmerzahl auf dem Schloss auf 1500 Personen zu reduzieren. Die Anmelder-Seite hat zudem erklärt, sich an die Sicherheitsauflagen der Stadt halten zu wollen.

Aufgrund des Einlenkens kann die Stadt nun das grundgesetzlich besonders geschützte Recht auf Versammlungsfreiheit gewähren.

Die Stadt behält sich vor, im Falle einer Missachtung der Auflagen die Versammlung weiter einzuschränken oder aufzulösen.“

Stadt Neustadt, 25.5.2023

Schließlich ergänzte heute die Stiftung Hambacher Schloss wie folgt:

„Es wurde für diesen Tag auf dem Gelände des Hambacher Schlosses eine Versammlung zugelassen, welche die öffentlich-rechtliche Stiftung Hambacher Schloss hinzunehmen hat. … Die Stärke und Überlegenheit unserer Demokratie in einer offenen und bunten Gesellschaft zeigt sich gerade daran, dass sie den Meinungsstreit zulässt und Minderheiten schützt. Meinungsfreiheit bedeutet jedoch nicht Widerspruchsfreiheit. Die Stiftung Hambacher Schloss verurteilt jegliche Versuche, unseren freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat durch Verschwörungstheorien, systematische Falschinformationen oder unverantwortliche historische Vergleiche zu delegitimieren.“

Stiftung Hambacher Schloss, 26.5.2023

Während das Schloss selbst am Sonntag geschlossen ist, ist das Schlossgelände zwischen 10 Uhr und 15 Uhr öffentlich zugänglich.

Es fällt bei diesen Stellungnahmen auf, dass die Stadt sich neutral zu dieser Entscheidung verhält. Noch vor wenigen Tagen hatte sie mit einem generellen Demonstrationsverbot eine extrem starke rechtliche Maßnahme in Stellung gebracht. War sie schlecht beraten, naiv oder war es Kalkül? Generelle Demonstrationsvorbote sind ein tiefgreifender Eingriff in die Grundrechte und finden aus guten Gründen erfahrungsgemäß vor Gerichten nur in seltenen Fällen Zustimmung.

Dagegen zeigt die Stellungnahme der Stiftung Hambacher Schloss eine klare politische Haltung, die sie nun auch weit sichtbar nach außen trägt.

Hambacher Schloss bereit zu einem unfreundlichen Empfang von Kochanek, Krall und Co.

Es wird Zeit, dass die Stadtspitze Neustadt, die Neustadt gerne als Demokratiestadt etikettiert, diese klare politische Haltung gegen Antidemokraten und Rechtsextremisten, die die Demonstration der Weißen anführen und als Gäste geladen sind, zeigt. Sie würde damit auch ihr Handeln nach dem mit großer Mehrheit gefassten Beschluss des Stadtrats vom 18.5.2022 richten.

Auf einer kurzfristig durchgeführten Protestkundgebung gegen die Vereinbarung der Stadt mit Kochanek heute auf dem Marktplatz in Neustadt erklärte in diesem Sinne ein Vertreter der Weinstraßen Antifa u.a. das Folgende:

„In so vielen Momenten hätte die Stadt Neustadt Haltung zeigen müssen. Sie hätte einfach mal sagen müssen, dass sie Kochaneks Rechtspopulismus eigentlich keine Bühne bieten will. Sie hätten einfach mal sagen müssen, dass das Hambacher Schloss nicht von Menschen instrumentalisiert werden darf, die eine alternative Auffassung von der Geschichte haben und die momentanen Zustände in diesem Land lieber mit der NS-Diktatur vergleichen.“

Warum dürfen die Weißen auf das Schlossgelände?

Überraschend bei der neu ausgehandelten Vereinbarung zwischen Kochanek und der Stadt Neustadt vom Mittwoch war, dass die Kundgebung auf dem Gelände des Hambacher Schlosses stattfinden kann. Die Annahme war bisher, vermutlich sogar bei der Stiftung selbst, dass sie auch auf dem Schlossgelände das Hausrecht besitzt.

Hört man sich bei einschlägig bewanderten Juristen um, dann wird in diesem Zusammenhang das sog. Fraport-Urteil vom 22.2.2011 genannt, das für diese Kehrtwende eine Rolle gespielt haben könnte. (Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 22.2.2011). In diesem Urteil wird u.a. damit argumentiert, dass Unternehmen, die maßgeblich in der öffentlichen Hand sind, in besonderer Weise an die Garantie von Grundrechten (hier: Versammlungsrecht) gebunden seien. Auch die Stiftung Hambacher Schloss wird getragen von der öffentlichen Hand. Es wird weiter argumentiert, dass öffentlich zugängliche Bereiche, wie die Abfertigungs-, Warte- und Shoppinghallen eines Flugplatzes, mit öffentlich zugänglichen Straßen etc. vergleichbar und deshalb in gleicher Weise für Versammlungen geeignet seien.

Ob die Übertragbarkeit des Fraport-Urteils auf die Stiftung Hambacher Schloss einer Überprüfung standhalten würde, ist natürlich hier und heute nicht festzustellen. Die juristische Auseinandersetzung sollte aber auch nicht der Hauptaustragungsort gegenüber den Kräften sein, die immer wieder versuchen, das Hambacher Schloss für ihre Zwecke zu missbrauchen. Entscheidend ist die politische Auseinandersetzung

Demokratinnen und Demokraten, am Pfingstsonntag hinauf zum Schloss!

Aber was tun?

  1. Die vorliegenden Informationen auf den Kanälen, die jedem und jeder zur Verfügung stehen, verbreiten (#NW2805 #NWBleibtBunt). Dabei die politische Kritik an Kochanek, Krall etc. in den Vordergrund rücken.
  2. Pressekontakte nutzen, Leserbriefe an die regionalen Zeitungen schreiben, die momentan sehr einseitig berichten und kommentieren.
  3. Für Anwohner von Hambach und Neustadt: Plakate, Parolen, Fahnen („Neustadt bleibt bunt“) an den Balkon, ins Fenster, am Gartenzaun aufhängen: Kochanek, Krall und seine Weißen nicht willkommen!
  4. Auf die Kundgebung des Regionalen Bündnisses gegen Rechts am Pfingstsonntag ab 11 Uhr auf dem Wendehammer unterhalb des Hambacher Schlosses kommen. Ein Treffpunkt für den gemeinsamen Weg zum Schloss ist 10:30 an der Bushaltestelle Diedesfeld Am Dorfplatz.
  5. Als „normaler“ Besucher des Hambacher Schlosses am Sonntag rechtzeitig vor den Weißen auf das Schlossgelände gehen (Picknick im Schlosspark!), um die eigene Meinung gegen Kochaneks Missbrauch des Hambacher Schlosses zum Ausdruck zu bringen. Das Fraport-Urteil erlaubt diese Meinungsäußerungen ausdrücklich!

Nach aktuellen Mitteilungen der Stiftung Hambacher Schloss ist zwar das Gebäude am Sonntag geschlossen, das Schlossgelände aber zwischen 10:00 und 15:00 für die Öffentlichkeit zugänglich.

Wie kommt man am Sonntag auf das Schloss?

Update vom 27.5.2023: Der Bus 502 vom Bahnhof Neustadt zum Schloss fährt angeblich nicht, obwohl der VRN diesen Bus auch für Sonntag weiterhin in seinem Fahrplan führt. Man kann auch nicht mit dem Auto zu den Parkplätzen am Schloss fahren. Aber die verschiedenen Wanderwege von Neustadt, Hambach, Diedesfeld seien offen, wurde uns gesagt. Aber so genau scheint das niemand zu wissen.

Der VRN teilt weiterhin auch heute, 27.5.2023 mit „Am Sonntag, 28.05.2023 kann es aufgrund einer Demonstration in Neustadt bei den Linien 500, 501, 503, 507, 512 und 517 zu Behinderungen / Ausfällen von Fahrten kommen. Die Strecke der DEMO ist von der Festwiese, Konrad-Adenauer-Straße, Landauer Straße, Schillerstraße, Hambacher Straße, Weinstraße, Dammstraße.“

Die TeilnehmerInnen an der Kundgebung des Regionalen Bündnisses am Wendehammer unterhalb des Schlosses treffen sich um 10:30 an der Bushaltestelle Diedesfeld am Dorfplatz.

Sinnvoll ist es, sich in kleinen Gruppen zu verabreden bzw. sich per Mobiltelefon zu vernetzen.

Pfingstsamstag: Musik am Hambacher Schloss

Auch am Samstag lohnt es sich auf jeden Fall „Musik am Schloss“ zu besuchen. Mehr dazu hier.

Ulrich Riehm, Freundeskreis Hambacher Fest von 1832

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