Stiftungsvorstand Wolf: „Die Stiftung verdient auch an rechtslastigen Großveranstaltungen“

Im Nachklapp zum Demokratiefestival Hambach! vom 14. bis 16. September 2018 geht die Süddeutsche Zeitung („Offen für alle“ Ausgabe vom 17.9.2018) erneut der Frage nach, ob und unter welchen Bedingungen Räume des Schlosses an Rechtsnationale vermietet werden sollen. Susanne Höll, Korrespondentin der SZ für die Pfalz, hat dazu mit dem Vorsitzenden des Stiftungsvorstandes der Stiftung Hambacher Schloss und Wissenschaftsminister von Rheinland-Pfalz Konrad Wolf (SPD) gesprochen, von dem Erstaunliches zu hören ist.

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Blick vom Ort Hambach auf das Hambacher Schloss am 16.9.2018 (Foto: U. Riehm – Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.)

Doch zunächst kurz zur Vorgeschichte: Die AfD-Fraktion des rheinland-pfälzischen Landtages hatte 2016 und 2018 eine öffentliche Fraktionssitzung auf dem Hambacher Schloss abgehalten. Dagegen gab es einigen Protest in der Öffentlichkeit, denn die ausländer- und europafeindlichen Rechtspopulisten passen für viele nicht auf das Schloss, das mit seinem Hambacher Fest von 1832 für einen demokratischen und europäischen Aufbruch, für Bürgerrechte und Pressefreiheit sowie gegen autoritäre Fürstenherrschaft steht.

Dann gab es im Mai 2018 das sog. neue Hambacher Fest des Finanzinvestors, AfD-Wählers und CDU-Mitglieds Max Otte, der nicht nur einige Hundert seiner Kunden und Anhänger zu einem Marsch auf das Schloss eingeladen hatte, sondern dort auch noch den Schulterschluss von rechter CDU (Werteunion) mit der AfD zelebrierte.

Die Stiftung hatte 2016 versucht, die AfD-Veranstaltung zu verhindern, allerdings mit untauglichen Mitteln. Sie wollte im Mietvertrag mit der AfD verankern, dass diese im Vorfeld ihrer Veranstaltung auf jegliche Pressearbeit und Werbung verzichtet, um Proteste und „Personenschäden“ zu verhindern. Sollte sich aber doch öffentlicher Protest gegen die AfD auf dem Gelände des Schlosses zeigen, wollte die Stiftung, dass der Mietvertrag „aus Gründen der Sicherheit für Besucher und Gäste“ fristlos gekündigten werden könne. Das war eine ziemlich abstruse Konstruktion.

Die AfD hatte dagegen geklagt und das Verwaltungsgericht Neustadt gab der AfD im Eilverfahren recht. Das Gericht argumentierte u.a., dass einer (legalen) politischen Partei Pressearbeit und Werbung für ihre Aktivitäten nicht verboten werden könne. Außerdem sei für die Sicherheit von Personen die Polizei zuständig.

Wenn es um die Vermietung von Räumen auf dem Hambacher Schloss geht, beruft sich der Vorstand der Stiftung seitdem auf dieses Verwaltungsgerichtsurteil. Er wolle ja durchaus die rechten Umtriebe verhindern, ihm seien aber die Hände gebunden.

Im Gespräch mit der SZ bringt Stiftungsvorstand Wolf nun ein weiteres Argument vor, warum man den Rechtspopulisten das Hambacher Schloss vermiete: die Finanzen! Susanne Höll legt in ihrem Artikel nahe, die Stiftung sei auf die Einnahmen aus Vermietungen – auch von Rechtspopulisten – angewiesen. Auch aus der Schlossverwaltung hört man immer wieder, wie wichtig das Mietgeschäft für den Betrieb des Schlosses sei.

Nach der Stiftungssatzung (§ 5) finanziert sich diese aus unterschiedlichen Quellen: aus den Erträgen des Stiftungsvermögens, den Eintrittsgeldern und anderen Einnahmen, sonstigen Zuwendungen sowie jährlichen Zuwendungen der Stifter. Außerdem fließen Bundesmittel in den Etat der Stiftung. Einnahmen aus Vermietung („andere Einnahmen“) werden jedenfalls in der Satzung nicht als besonders bedeutsam herausgestellt.

Großveranstaltungen, wie die von Max Otte im Mai dieses Jahres, bei denen der ganze Schlosskomplex vermietet wurde, sind vermutlich finanziell besonders lukrativ. Im Stiftungsvorstand habe man darüber gesprochen, so Wolf in der SZ, ob man zukünftig auf die Vermietung des gesamten Schlosskomplexes verzichten soll – und man habe sich dagegen ausgesprochen. Wolf: „Ja, die Stiftung verdient, wenn man so will, auch an rechtslastigen Großveranstaltungen. Das ist unschön, aber nicht zu ändern.“

Das ist die große Frage, ist es zu ändern und wenn ja wie?

Lassen wir die Finanzfrage zunächst unberücksichtigt. Solange die Ein- und Ausgaben der Stiftung nicht öffentlich gemacht werden, lässt sich darüber nicht diskutieren. Ein schon vor Wochen gestellter Antrag auf Offenlegung der Finanzen nach dem Landestransparenzgesetz führte bisher zu keinem positiven Ergebnis.

Keine Stiftung, kein Verein, keine Institution wird jemals behaupten, dass sie zu viel Geld hat und auf Einnahmen gerne verzichten wird. Aber gerade öffentliche, gemeinnützige Stiftungen sind nicht dafür da, Einnahmen um jeden Preis, für jeden Zweck und mit jedem „Kunden“ zu erzielen. Die Satzung (§ 4) ist entsprechend klar formuliert: „Die Stiftung verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke … Die Stiftung ist selbstlos tätig. Sie verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke“.

Das könnte die Stiftung auf jeden Fall ändern: Sie müsste, nein sie dürfte keine Veranstaltung zulassen, die zur Konsequenz hat, dass das gesamte Schloss und insbesondere die zentrale Ausstellung zur Demokratiegeschichte für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich ist, wie dies bei der Otte-Veranstaltung im Mai der Fall war.

Weitergehend wäre eine Strategie, Veranstaltungen deshalb abzulehnen, weil sie der „herausragende Bedeutung des Hambacher Festes vom 27. Mai 1832 für die Entwicklung Deutschlands zur Demokratie und den Weg nach Europa“ (aus der Präambel der Stiftungssatzung) widersprechen. Das Renommee des Hambacher Schlosses als eines der bedeutendsten Stätten für die Demokratiegeschichte in Deutschland würde Schaden nehmen, wenn die Öffentlichkeit das Hambacher Schloss als „das Vereinsheim der AfD“ und anderer Rechtskräfte wahrnehmen würde. Das muss die Stiftung im eigenen, wohlverstandenen Interesse nicht hinnehmen. Dass diese Argumentation nicht einfach ist, da man sich auf eine inhaltliche Ebene begeben muss, steht außer Frage.

Aber es gibt dafür bereits ein Vorbild: die Paulskirche in Frankfurt. Sie wird vermietet für Veranstaltungen unterschiedlicher Art. Aber Veranstaltungen in der Paulskirche müssen ihrem „Grundcharakter Rechnung tragen“, eine der bedeutendsten politischen Gedenkstätten der Bundesrepublik Deutschland für die Entwicklung der Demokratie zu sein. Bei der Vergabe der Paulskirche für Veranstaltungen ist deshalb „ein äußerst strenger Maßstab anzulegen“, heißt es in der Präambel für die Vergabe von Veranstaltungen der Paulskirche. Die Paulskirche ist eben nicht „offen für alle“ und die Stiftung Hambacher Schloss wäre gut beraten, ihren guten Namen für die Demokratiegeschichte Deutschlands durch geeignete Maßnahmen zu schützen und zu bewahren. Vorschläge, wie man dabei verfahren könnte, liegen auf dem Tisch.

Ulrich Riehm

Danke an Mitglieder des Freundeskreises Hambacher Fest 1832 für hilfreiche Kommentare zu einem ersten Entwurf dieses Beitrags

Ausschnitte aus dem SZ-Artikel vom 17.9.2018 „Offen für alle“ von Susanne Höll

… Der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Konrad Wolf (SPD), zugleich Vorstandschef der Schloss-Stiftung, hatte gemeinsam mit anderen überlegt, ob und wie man unliebsame publizitätsträchtige Treffen unterbinden könnte. Man dachte darüber nach, die Vergabe der Räume zu reduzieren. … Weniger Leute, weniger Aufsehen, so die Hoffnung. Es wäre ein symbolischer Akt gewesen, das war allen Beteiligten klar. …

Beim jüngsten Vorstandstreffen habe man sich geeinigt, auf diesen Schritt zu verzichten, sagte Wolf der SZ. … „Wir hätten uns mit einer solchen Begrenzung auch die Hände gebunden für große Veranstaltungen, die wir ausdrücklich fördern und unterstützten. Das wäre kontraproduktiv. Es gilt das Prinzip der Gleichbehandlung aller Interessenten.“

Anders als die Paulskirche in Frankfurt, das zweite große deutsche Symbol der Freiheitsbewegung, steht das Schloss allen offen, die bereit sind, die Miete zu zahlen. Auf die Einnahmen ist die Stiftung angewiesen. Auch Parteien dürfen sich dort treffen; Versuche, AfD-Veranstaltungen zu unterbinden, wurden von rheinland-pfälzischen Gerichten untersagt. Die AfD-Fraktion aus dem Mainzer Landtag hat sich zwei Mal auf dem Schloss getroffen, stets hatten Gegner zu Protesten aufgerufen.

Großen Wirbel hatte im Frühsommer der Finanzexperte Max Otte verursacht. Der ist eigentlich CDU-Mitglied, stimmte aus Unmut über den gegenwärtigen Kurs der Christdemokraten aber bei der Bundestagswahl erklärtermaßen für die AfD. Anfang Mai hatte Otte einige Protagonisten der AfD sowie andere umstrittene Politiker zu einem „Neuen Hambacher Fest“ eingeladen. Wegen einer Großdemonstration von Teilnehmern vor der Anlage musste das gesamte Gebiet vor dem Schloss für die Öffentlichkeit gesperrt werden. …

… In einem offenen Brief an Otte schrieb der Minister, dass die Stiftung jenes Treffen nicht unterstützt und vergeblich versucht habe, den Aufmarsch vor der Anlage zu unterbinden. Das Schloss als Sinnbild für Weltoffenheit, Demokratie und Meinungsfreiheit könne und müsse „Veranstaltungen wie die Ihre ertragen“.

… Er räumt ein, dass man finanziell von den Populisten profitiere. „Ja, die Stiftung verdient, wenn man so will, auch an rechtslastigen Großveranstaltungen. Das ist unschön, aber nicht zu ändern.“

Die Stiftung sucht nun nach anderen Wegen, das Schloss zum Ort eines freiheitlich-demokratischen Diskurses in Deutschland und Europa zu machen. Die Europafahne soll auf Dauer neben der Deutschlandfahne wehen. Wenn der Bund einverstanden ist, soll es von 2020 an eine wissenschaftliche Stelle geben, die Veranstaltungen mit Sachverstand begleitet. …