Das Regionale Bündnis gegen Rechts

„Otte will eine Brücke bauen zwischen den Rechten in der CDU und der AfD“

Interview zur Entstehung des Regionalen Bündnisses gegen Rechts und zu seiner Rolle in der Auseinandersetzung um das Hambacher Schloss

Am 19.1.2019 saßen wir im Neustadter Wirtshaus Konfetti eine gute Stunde zusammen: Margarete und Hans-Jürgen vom Regionalen Bündnis gegen Rechts und ich vom Freundeskreis Hambacher Fest von 1832. Das in Neustadt beheimatete Regionale Bündnis hatte in den Auseinandersetzungen um das Hambacher Schloss in den letzten Jahren eine wichtige Rolle gespielt. Mich hat deshalb seine Entstehung, sein Selbstverständnis und seine Aktivitäten interessiert. Außerdem sprachen wir über das für das Pfingstwochenende (7./8. Juni 2019) sogenannte zweite neue Hambacher Fest von Max Otte und seinen rechten Freunden. 

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Zur Entstehung des regionalen Bündnisses gegen Rechts

Freundeskreis Hambacher Fest von 1832: Wann wurde eigentlich das Regional Bündnis gegen Rechts gegründet und was war der Anlass?

Margarete: Vor ca. 10 Jahren wurde das Bündnis gegründet.

Hans-Jürgen: 2008 und 2009 waren zwei Demonstrationen der NPD hier in Neustadt. Die erste sollte durch die Innenstadt gehen. Dagegen gab es allerdings eine Blockade und da konnte die NPD nicht weiter marschieren. 2009 kam es zu einer zweiten Demonstration der NPD, diesmal in Winzingen, einem Stadtteil von Neustadt mit einem hohen Ausländeranteil. Damals gab es Vereinbarungen zwischen verschiedenen Gruppen, die zusammen gegen die NPD-Auftritte Veranstaltungen organisiert hatten. Aus der Erfahrung dieser Gegenveranstaltungen heraus hat sich das Regionale Bündnis gegen Rechts gegründet.

Wie setzt sich das Bündnis zusammen?

Margarete: Das ist ein Bündnis, das sich aus verschiedenen Organisationen zusammensetzt: Amnesty International, Gewerkschaften, Attac, Friedensinitiative, Neustadt gegen Fremdenhass, DFG-VK, Förderverein Gedenkstätte.

Hans-Jürgen: Das sind alles Vereinigungen und Organisationen, die parteipolitisch unabhängig sind. Wir hatten 2009 den Streit, wer denn bei der Veranstaltung gegen die NPD die Schirmherrschaft übernehmen sollte – zu diesem Zeitpunkt waren Bürgermeisterwahlen gewesen. Das war sehr unschön und deshalb wurde beschlossen, dass jeder, der auch in einer Partei ist, gerne mitarbeiten kann, aber Parteien als Mitglieder des Bündnisses nehmen wir nicht auf. Wir wollen keinen Parteienstreit im Bündnis. Jeder soll unabhängig von irgendwelchen Vorstandsbeschlüssen seine Meinung im Bündnis frei äußern können.

Welche Organisationen vertretet ihr?

Margarete: Ich bin bei Attac aktiv und vertrete Attac im Bündnis.

Hans-Jürgen: Ich vertrete die Friedensinitiative, aber ich bin auch in anderen Organisationen aktiv, bin immer noch Gewerkschaftsmitglied und auch noch SPD-Mitglied.

Sind denn die Personen, die regelmäßig monatlich bei den Bündnistreffen zusammen kommen, „Delegierte“ der Bündnisorganisationen?

Hans-Jürgen: Nein, es sollte zwar von jeder Gruppe, die im Bündnis Mitglied ist, immer jemand da sein, aber es handelt sich dabei nicht um eine offizielle Delegation.

Also im Prinzip könnte jeder auf die Treffen gehen. Das Bündnis wäre also eine Mischung aus einem Zusammenschluss von Organisationen und von engagierten Personen?

Hans-Jürgen: Ja

Wie arbeitet das Bündnis?

Hans-Jürgen: Es gibt einen Flyer aus dem Jahr 2010, in dem kurz über unsere Arbeit informiert wird. Wir haben seit unserer Gründung 2010 einige Veranstaltungen durchgeführt, eine Ausstellung gegen Neonazismus organisiert, haben eine Musikveranstaltung „Rock gegen Rechts“ initiiert und einen Kunstwettbewerb für Jugendliche „Bunt statt Braun“ veranstaltet. Die kreativen Arbeiten wurden dann auch prämiert. Das war sehr aufwändig und wir haben uns deshalb auch bei diesem Wettbewerb mit der Stadt zusammen getan. Die Motivation dabei war einfach, das positive Denken zu befördern, gegen Fremdenfeindlichkeit, gegen Neonazismus.

Margarete: Wir machen auch beim Antikriegstag jedes Jahr eine Veranstaltung. Außerdem treffen wir uns regelmäßig am zweiten Freitag eines Monats um 18:00 im Wirtshaus Konfetti.

Haben die vielen nach Deutschland kommenden Flüchtlinge ab 2015 eine Bedeutung für die Arbeit des Bündnisses gehabt?

Margarete: Viele von uns engagieren sich in der Flüchtlingsarbeit, aber an der Bündnisarbeit hat sich dadurch nichts geändert.

Hans-Jürgen: Es gab eine Kundgebung hier am Marktplatz in Neustadt im Januar 2016 mit verschiedenen Organisationen. Dort hat auch der Oberbürgermeister eine Ansprache gehalten. Wir haben diese Kundgebung als Bündnis unterstützt. Wir sind auch immer am Multi-Kulti-Fest mit einem eigenen Stand vertreten.

Seid ihr beide von Anfang an dabei?

Hans-Jürgen: Ja, ich bin von Anfang an dabei.

Margarete: Ich bin fast von Anfang an dabei.

Vom wem ging die Initiative zur Gründung des Bündnisses damals aus?

Hans-Jürgen: Die Initiative ging von Horst Stowasser aus, der hier das „AnArchiv“, ein Anarchistisches Dokumentationszentrums, gepflegt hatte und sonst auch in der politischen Szene sehr aktiv war.

Margarete: Er lebt ja mittlerweile nicht mehr, aber ich vergesse es nie, wie in Branchweiler, einem Stadtviertel von Neustadt, die NDP demonstriert hatte und Horst Stowasser sich ganz allein auf die Straße gelegt hat, um diese zu blockieren. Er wurde von der Polizei schließlich weggetragen.

Gab es denn, wenn ihr auf die fast 10 Jahre des Bündnisses zurückblickt, Aktionen, die besonders erfolgreich waren bzw. solche, die eher erfolglos waren?

Hans-Jürgen: Unsere Veranstaltung „Rock gegen Rechts“ hatte leider nicht den Zulauf, den wir uns gewünscht hatten. Wenn ich aber an den Wettbewerb „Bunt statt braun“ denke, muss ich sagen, das war zwar ziemlich mühselig und hat viel Kraft gekostet, aber die Resonanz bei Schülern und Jugendlichen war doch sehr gut gewesen. Und wenn ich mir heute nochmals anschaue, was da für Arbeiten entstanden sind, beispielsweise die grafischen Arbeiten, die Plakate, finde ich das immer noch faszinierend.

Banner des Regionalen Bündnisses gegen Rechts am 5.6.2018 vor dem Hambacher Schloss

Hambacher Schloss und Hambacher Fest

Habt ihr eine persönliche Beziehung zum Hambacher Schloss und zum Hambacher Fest von 1832, seid ihr denn hier aus der Region?

Margarete: Wir kommen beide aus der hiesigen Region.

Könnt ihr benennen, wann euch das Hambacher Schloss in seiner geschichtlichen Dimension für die Demokratiegeschichte Deutschlands zum ersten Mal aufgegangen ist?

Margarete: Das Hambacher Fest war schon in meiner Schulzeit ein Thema. Wir haben Schulausflüge aufs Schloss gemacht. Die Lehrer haben viel erzählt, allerdings war mir das Thema damals noch nicht so wichtig.

Hans-Jürgen: Bei mir steht das Hambacher Fest in Zusammenhang mit Kämpfen um das Hambacher Schloss im Jahr 1970. Damals hat die Deutschland-Stiftung ihre Preisverleihung auf dem Hambacher Schloss durchgeführt. Da waren etliche Kameraden auf dem Hambacher Schloss gewesen, die eine unrühmliche Vergangenheit hatten und die nach unserer Auffassung sehr weit rechts standen. Und es gab aus verschiedenen Kreisen Deutschlands eine Gegenveranstaltung und eine Gegendemonstration.

[Die Deutschland-Stiftung e. V. – nicht zu verwechseln mit der heutigen Deutschlandstiftung Integration – war ein den Unionsparteien nahestehender Verein mit nationalkonservativer Ausrichtung, der von 1966 bis 2007 existierte. Spiritus rector war Kurt Ziesel, später Ehrenvorsitzender. Die Stiftung vergab von 1967 bis 2001 den Konrad-Adenauer-Preis und war Herausgeber des Deutschland-Magazins. 1970 erhielten den Preis Manfred Hausmann für Literatur und Winfried Martini für Publizistik. Quelle: Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Deutschland-Stiftung]

Sepp Binder schrieb zu diesem Ereignis in der Zeit Nr. 22/1970 vom 29. Mai 1970 unter der Überschrift „’Zur inneren Gesundung des Volkes‘ Mit markigen Reden verlieh die Deutschland-Stiftung ihre Preise“ u.a. „Sie kamen zum Hambacher Schloß, den Geburtstag des Grundgesetzes auf ihre Weise zu feiern. Und als sie am Wochenende die demokratische Traditionsstätte an der Weinstraße wieder verließen, glaubten sie, ‚den terroristischen Zeitgeist in die Schranken gewiesen und eine Wende zur inneren Gesundung des deutschen Volkes herbeigeführt‘ zu haben. …
Die Deutschland-Stiftung, die durch ihr Zentralorgan Deutschland-Magazin den ‚Boden einer soldatischen Generation‘ bereiten will und mit Streitern wie dem Ritter vom Heiligen Grabe, Alois Hundhammer, einen Kreuzzug gegen ‚den Unfug der sogenannten Demokratisierung‘ führt, rief Gegner auf den Plan. Einspruch gegen die Preisverteilung auf dem Hambacher Schloß erhob der SPD-Bundestagsabgeordnete Rudolf Kaffka: ‚Dem Schloß als Denkmal der deutschen Demokratie wird schwerer Schaden zugefügt.‘ … Jugendverbände und demokratische Verbände riefen zur Gegenkundgebung auf. Sie protestierten gegen den ‚Mißbrauch des Hambacher Schlosses‘, … Die Sehnsucht nach Disziplin und Ordnung, die Empörung über das ‚Parasitentum der Hippies und Gammler‘ bewegte die Gäste. Sie beschworen die ‚Inflation der Demokratie, sie zeigten sich erschüttert über die ‚Überhöhung der Grundrechte‘, und sie fragten mit Preisträger Martini, ‚ob man das überhaupt noch Demokratie nennen darf‘. …“

https://www.zeit.de/1970/22/zur-inneren-gesundung-des-volkes

Das war für mich der Anlass, mich mit der Geschichte des Hambacher Festes auseinanderzusetzen. Mir wurde klar, dass 1832 in der deutschen Geschichte etwas ganz Besonderes und etwas Positives passiert ist. Es ist ja nicht nur so, dass das Hambacher Schloss der Geburtsort der Deutschen Demokratie ist, es ist auch der Geburtsort des europäischen Gedankens. Es wurde dort internationale Solidarität gepredigt, mit allen Völkern, die um ihre Freiheit kämpften. Und auch die Frauen wurden damals zum ersten Mal aufgefordert, aktiv mitzuwirken. Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch gerne an den ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann, der sich dafür eingesetzt hat, die demokratischen Wegmarken in der deutschen Geschichte stärker hervorzuheben.

Welche Aktionen gab es aus diesem Anlass 1970?

Hans-Jürgen: Ich war damals 17 Jahre alt, habe die Schule geschwänzt und bin mit auf der Demonstration am Schloss gewesen. Das war im Vergleich zur Demonstration letztes Jahr im Mai bei der Otte-Veranstaltung eine richtig harte Demonstration. Ich kann mich noch an den ehemaligen bayerischen Kultusminister und langjährigen CSU-Politiker Hundhammer entsinnen, der durch den Wald nach Hambach geflüchtet ist.

Wie habt ihr 1985 den Besuch des US-amerikanischen Präsidenten Reagan auf dem Hambacher Schloss erlebt? Ich habe mit Leuten gesprochen, die damals gegen Reagan und Kohl demonstriert hatten und das Ergebnis eher negativ sehen. Man war sozusagen im Pfälzer Wald stecken geblieben und hatte nichts erreicht.

Margarete: Ich habe damals nicht in Neustadt gelebt und das Reagan-Ereignis nicht mitbekommen.

Hans-Jürgen: Ich war damals bereits in der Friedensinitiative aktiv, und wir hatten als Gegenveranstaltung eine Menschenkette geplant, die quer durch Neustadt gehen sollte, um gegen Reagan zu demonstrieren. Es gab allerdings auch andere Kräfte, die ihren Protest in anderer Form zum Ausdruck bringen wollten. Diese wollten möglichst nahe an Reagan herankommen. Dabei haben sie sich teilweise blutige Nasen geholt, weil das Polizeiaufgebot sehr groß gewesen ist.

Es gab auch umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen. Das Fahrzeug von Reagan ist durch die Freiheitsstraße gefahren und alle Hambacher waren vorher aufgefordert worden, ihre Fensterläden zu schließen.

Wir hatten uns damals erhofft, dass wir durch einen friedlichen Protest viele Leute erreichen würden, und wir waren uns im Klaren darüber, dass die Sicherheitsmaßnahmen enorm sein werden.

Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl hatte 1985 den US-amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan nach Hambach eingeladen. Bei diesem Ereignis waren auch der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker und der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz Bernhard Vogel, alle CDU, dabei. Seht ihr in den 1970er und 1980er Jahren eine besondere Rolle von Kohl, Vogel und der rheinlandpfälzischen CDU in Bezug auf das Hambacher Schloss? Verfolgten diese eine eigene Agenda mit den Sanierungs- und Renovierungsmaßnahmen auf dem Schloss?

Hans-Jürgen: Ich würde das Hambacher Fest aus der Perspektive unterschiedlicher geschichtlicher Perioden betrachten. Das Hambacher Fest war für seine Zeit etwas Besonderes. Wenn ich es mit dem Wartburg Fest vergleiche, das sich durch Deutschtümelei ausgezeichnet hat, war das Hambacher Fest wirklich ein weltoffenes Fest. Da haben etwa Franzosen und Polen teilgenommen. In der Folgezeit haben sich aber die Liberalen, die im Wesentlichen dieses Fest getragen hatten, in eine nationalliberale Richtung bewegt und dieser internationale Charakter wurde denen irgendwann peinlich. Und den hat man dann auch in der Geschichtsschreibung mehr oder weniger unterschlagen. Es gibt ein Buch von einem Sozialdemokraten, Wilhelm Herzberg, geschrieben 1907, der ganz deutlich darauf hinweist, dass es gerade der internationale Charakter des Hambacher Festes ist, der von den Nationalliberalen unterschlagen wurde.

[Das Hambacher Fest : Geschichte der revolutionären Bestrebungen in Rheinbayern um das Jahr 1832 von Wilhelm Herzberg ]

Und in der Zeit, in der Europäische Politik wieder aktuell wurde, erinnerten sich manche Politiker wieder daran, dass da im 19. Jahrhundert schon mal etwas gewesen war, an dem man anknüpfen könnte. Und das haben der Pfälzer Helmut Kohl und sein Nachfolger als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz Bernhard Vogel gemacht, in dem sie etwa den politisch äußerst umstrittenen Ronald Reagan eingeladen hatten. Später gab es weiteren „hohen“ Besuch etwa 1998 Lech Walesa, der Begründer der polnischen Gewerkschaft Solidarność und spätere polnische Präsident und Friedensnobelpreisträger. 2001 trafen sich die Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs und Polens im Rahmen des „Weimarer Dreieck“, also Bundeskanzler Gerhard Schröder, Staatspräsident Jacques Chirac und Staatspräsident Aleksander Kwasniewski.

Zu den aktuellen Auseinandersetzungen um das Schloss

Die Max Otte-Veranstaltung, das sog. neue Hambacher Fest im Juni letzten Jahres, hat überregional einiges Aufsehen erregt. Der Blog  hambacherfest1832 ist wegen dieser Veranstaltung entstanden. Otte will auch dieses Jahr wieder einen „Patriotenmarsch“ hinauf zum Schloss veranstalten. Welche Bedeutung messt ihr ihm bei?

Hans-Jürgen: Ich sehe das so, dass Otte eine Brücke bauen will zwischen den Rechten in der CDU und der AfD. Er will seine Kompetenz und sein Image damit aufwerten, in dem er sich auf ein historisches Ereignis, sprich das Hambacher Fest bezieht. Und er versucht dieses Fest für seine politischen Ziele dienstbar zu machen. Die Rechten beklagen z.B. die angeblich mangelnde Pressefreiheit in Deutschland. Das ist dann der Anknüpfungspunkt für das Hambacher Fest von 1832, bei dem das Thema Pressefreiheit ja ganz zentral war. Ich will nicht die Mängel und Probleme unserer Presselandschaft verhehlen, trotzdem haben wir in Deutschland heute eine garantierte Pressefreiheit. Die heutige Situation ist doch überhaupt nicht mit den Zensur– und Unterdrückungsverhältnissen von 1832 zu vergleichen.

Wo setzt er denn an? Hambach steht ja auch für die nationale Frage und nicht nur für die bürgerlichen Freiheiten. Wollen die Rechten nicht auch an der nationalen Frage ansetzen?

Hans-Jürgen: Ich denke, die nationale Frage muss man auch in einem Kontext sehen. Was war die nationale Frage 1832? Es gab etwa 35 deutsche (Klein-)Staaten. An jeder Grenze wurde Zoll erhoben. Und es gab 35 verschiedene Staatsbürgerschaften. D.h. das Bedürfnis der Menschen, miteinander zu verkehren und Handel zu treiben, war sehr ausgeprägt. Das hat mit Nationalismus eigentlich nichts zu tun.

Wenn ich es richtig weiß, traf sich 2016 die AfD-Fraktion des Landtags zum ersten Mal auf dem Schloss. War das Bündnis damals aktiv gegen die Veranstaltung? Wie schätzt ihr diese Auseinandersetzung aus heutiger Sicht ein?

Hans-Jürgen: Ja, im November 2016 war die Veranstaltung der AfD auf dem Schloss und das Bündnis hat vor dem Schloss dagegen demonstriert. Ich weiß noch, wie eine Journalistin vom Südwestfunk auf mich zukam und von mir wissen wollte, warum wir hier demonstrieren.

Margarete: Wir standen zuerst im Ortsteil Hambach mit unserem Banner und sind dann hoch zum Schloss gezogen.

Hans-Jürgen: Dort gab es kurze Ansprachen und ein Musiker aus Mussbach hatte Musik gemacht. Und wenn einer von der AfD vorbei kam, haben wir hörbar unseren Protest zum Ausdruck gebracht. Aber 2016 war es deutlich friedlicher als damals 1970.

War denn 2016 auch das Schloss ganz geschlossen, wie letztes Jahr bei Otte?

Margarete: Das Schloss ist immer zu, wenn da jemand tagt. Das war schon 1832 so, wenn ich das richtig weiß. Die nicht so wohlhabenden Bürger konnten sich den Eintritt ins Schloss zum Festbankett gar nicht leisten. Und das ist ja heute noch so. Es kostet ja viele Tausend Euro, das Schloss anzumieten.

Die Stiftung hatte versucht, diese Veranstaltung durch Auflagen zu verhindern und ist damit vor dem Verwaltungsgericht Neustadt kläglich gescheitert. Wie schätzt ihr die Politik der Stiftung ein?

Hans-Jürgen: Es gibt ja dieses seltsame Konstrukt der Betriebsgesellschaft und der Stiftung. Die Betriebsgesellschaft soll Geld einspielen, damit die Gedenkstätte unterhalten werden kann. Und man hat schon den Eindruck, dass die ökonomischen Interessen sehr wesentlich sind. Die Stiftung müsste meiner Meinung nach danach forschen, ob es nicht möglich ist, auf juristischem Wege, Formulierungen für die Verwendung des Hambacher Schlosses zu finden, die ausschließen, dass nationalistische, fremdenfeindliche Gruppen das Schloss für ihre Zwecke nutzen können.

Margarete: Da kommt natürlich gleich die Diskussion auf, dass die AfD eine demokratisch gewählte Partei ist und dass das Schloss eben dann für alle parteipolitischen Veranstaltungen geschlossen werden müsste, wegen dem Grundsatz der Gleichbehandlung.

2018 im Juni hat die AfD-Landtagsfraktion zum zweiten Mal auf dem Schloss eine Veranstaltung abgehalten. Es gab keine Proteste dagegen auf oder vor dem Schloss. Trat da schon ein Gewöhnungseffekt ein? Oder kam das Gefühl auf, man könne das eh nicht verhindern? Warum hat sich das Bündnis entschieden, nicht gegen die AfD vor dem Schloss zu demonstrieren, sondern eine Protestversammlung in Neustadt zu organisieren?

Margarete: Wir wollten von den Bürgerinnen und Bürgern in Neustadt gesehen und mit unserem Anliegen wahrgenommen werden. Wir wollten in der Stadt informieren und haben dies auch getan. Oben am Schloss wäre man ja mehr oder weniger allein gestanden. Die AfDler lassen sich von uns ja nicht beeindrucken. Im Gegenteil, die fühlen sich durch eine Protestdemonstration noch eher aufgewertet, wenn die „Linksextremisten“ da stehen.

Wie erfolgreich war eure Aktion in Neustadt?

Margarete: Es waren sehr viele Leute auf dem Marktplatz und wir haben viele von unseren Info-Flyern verteilt. Die habe sogar nicht ausgereicht.

Es gibt den sog. Neustadter Appell, der sich an den Bundespräsidenten richtet, mit der Aufforderung, er möge sich dafür einsetzen, dass das Schloss nicht von den Rechten weiter heimgesucht wird. Das Bündnis hat diesen Neustadter Appell initiiert. Wie ist da der Stand? Warum wendet ihr euch an den Präsidenten?

Margarete: Die Idee war, die Unterschriftenliste zu überreichen, aber er empfängt uns ja nicht.

Hans-Jürgen: Ich habe versucht, mit dem Bundespräsidialamt Kontakt aufzunehmen und von dort eine höfliche Antwort bekommen. Es sei sehr lobenswert, sich so zu engagieren, aber der Bundespräsident könne sich nicht engagieren, er müsse über den Dingen stehen. Es sei uns aber unbenommen, dass wir ihm die Unterschriften überreichen. Das wollen wir auch in irgendeiner Form machen und mit einer Presseerklärung verknüpfen. Wir haben mittlerweile ein paar Hundert Unterschriften und hoffen noch auf mehr, und würden den Abschluss dieser Aktion vielleicht auch mit einer Veranstaltung verbinden.

Der Bundespräsident war im März 2018 auf dem Hambacher Fest und hat dort ausgeführt: „Denn die Menschen auf dem Hambacher Fest demonstrierten für die nationale Einheit Deutschlands, aber sie waren keine Nationalisten, die sich gegen andere Nationen stellten. Im Gegenteil: Sie forderten … ein ‚conföderiertes republikanisches Europa‘ mit Presse-, Meinungs-, und Versammlungsfreiheit – und der Gleichberechtigung von Frauen.“

Aber kann man nicht kritisch einwenden, dass der Bundespräsident direkt und operativ mit der Stiftung gar nichts zu tun hat? Die Stifter und der Stiftungsvorstand bestehen doch überwiegend aus rheinland-pfälzischen Institutionen.

Hans-Jürgen: Ja, schon. Aber die Stimme des Bundespräsidenten hat Gewicht. Wenn der Bundespräsident etwas sagt, wird das in der Öffentlichkeit auch wahrgenommen. Die Hoffnung ist, dass man ihn in dieser Sache als Fürsprecher gewinnen kann. Es ist sehr mühselig, wenn man sich mit Leuten von der Landesregierung oder vom Bezirksverband der Pfalz auseinandersetzen muss.

Es gab 2018 den Offenen Brief von Hambacher Bürgerinnen und Bürgern an die Ministerpräsidentin Malu Dreyer, der ebenfalls nicht so erfolgreich war. Aber ist es nicht eine Illusion, wenn man denkt, dass sich die Welt ändert, wenn man mal einen Brief an eine Ministerpräsidentin schreibt?

Hans-Jürgen: Man muss dicke Bretter bohren, wenn man politisch etwas bewegen will.

Habt ihr vom Demokratiefestival, veranstaltet von der Metropolregion Rhein-Neckar, im September 2018 etwas mitbekommen? War das ein gelungener Kontrapunkt gegen die rechten Okkupationsversuche oder nur „Kunst“?

Hans-Jürgen: Ich habe das Festival an einem Nachmittag besucht. Es war gut gemeint, aber leider war der Zuspruch des Publikums niedriger als ich erwartet hatte. Es gab schon Angebote, die mich interessiert haben, z.B. eine Art Straßentheater. Aber wichtig ist ja auch, dass die jungen Leute angesprochen werden.

Zum Schluss jetzt nochmals zu Otte und Co. Jetzt kommt er dieses Jahr wieder, wie man hört, obwohl er es selbst noch nicht öffentlich gemacht hat. Angeblich will er am Pfingstwochenende freitags erneut mit seinen „Patrioten“ aufs Schloss marschieren und plant samstags eine Großveranstaltung im Saalbau in Neustadt. Könnt ihr schon sagen, ob das Bündnis dieses Jahr auch eine Gegenveranstaltung plant?

Margarete: Freitagabend wird das Bündnis nichts machen, wenn Otte und seine Leute aufs Schloss marschieren wollen. Aber es gibt vielleicht Einzelne, Unabhängige, Kleingruppen, die da in Aktion treten. Das Bündnis wird am Samstag, wenn Otte auch in der Stadt im Saalbau in Neustadt ist, einen Infostand und eine öffentliche Protestversammlung organisieren.

Habt ihr eine Einschätzung davon, warum er dieses Jahr den Saalbau gemietet hat und nicht mehr auf dem Schloss seine Veranstaltung abhält?

Hans-Jürgen: Er will am Freitagabend wiederum einen „Patriotenmarsch“ auf das Schloss machen. Dann wird es einen Empfang in den Räumen des Schlosses geben. Er plant den Marsch so, dass er um 18 Uhr auf dem Schloss ist, wenn das Schloss für die Öffentlichkeit schließt. Er kann dann wieder hinter verschlossenen Türen tagen.

Im Saalbau hat er eine bessere Infrastruktur. Sowohl mit Pkw als auch mit dem Zug ist der Saalbau leichter zu erreichen. Im Saalbau bekommt er auch mehr Leute unter als auf dem Schloss. Darauf spekuliert er vielleicht, dass er so mehr Leute erreichen kann.

Wir vom Bündnis wollen die Bevölkerung darüber informieren, was dieser Kamerad für Einstellungen hat und was seine politischen Ziele sind.

Wie sind die Kosten des Saalbaus im Vergleich zum Schloss?

Margarete: Das interessiert ihn doch nicht. Der hat doch genügend Geld mit seiner Finanzinvestment Firma.

Gibt es etwas Wichtiges, was ich vergessen habe, und was ihr noch gerne los werden wollt?

Hans-Jürgen: Wir haben eigentlich immer das Problem, der Teil zu sein, der reagiert. Wir haben in der Vergangenheit durchaus Aktionen gemacht, wo wir selbständig agiert haben, z.B. bei dem Wettbewerb „Bunt statt braun“. Ich finde man muss auch von unserer Seite versuchen, mit den positiven Traditionen des Hambacher Festes etwas anzufangen und sich diese nicht von anderen wegnehmen lassen.

Das finde ich einen wichtigen Gedanken. Sollte nicht die Stiftung und die demokratischen Kräfte drum herum das Hambacher Fest jährlich feiern, statt dies Otte zu überlassen? 2032 kann man die 200-Jahrfeier groß begehen, aber bis 2032 sind es noch 13 Jahre.

Hans-Jürgen: Ich habe 2007 an einem Volkslauf teilgenommen, der hieß Hambacher Schloss Marathon. Man kann durch so eine Veranstaltung mit Läufern aus allen europäischen Ländern, wenn man sie also international aufzieht, auf das Hambacher Fest aufmerksam machen. Und natürlich, bei den Pfälzern gehört dann der Schoppen Wein dazu.

Margarete: … und am besten auch noch die Bratwurscht fer umme.

Interview: Ulrich Riehm