von Ulrich Riehm, Freundeskreis Hambacher Fest von 1832
Es ist nicht klar, ob der Goldhändler Markus Krall, der es bereits mit mehreren Büchern auf die Spiegel-Bestsellerliste geschafft hat, sich lieber als seriöser Autor oder als demagogischen Redner sieht. Er genießt es jedenfalls, wenn er mit Gejohle, anfeuernden Pfiffen und prasselndem Beifall bedacht wird, wie 2019 im Saalbau in Neustadt an der Weinstraße. Dort bezeichnete er die Politik, dabei speziell auf Abgeordnete zielend, als Feld für „Schulabbrecher, Studienversager und berufliche Arbeitsverweigerer“. Auch Max Otte, gerade zum Vorsitzenden der Werteunion gewählt, scheint Redner mit rechtsextremer Brandfackel zu schätzen. Bereits zweimal gab er Krall die Gelegenheit zu solchem Auftritt auf seinem sogenannten neuen Hambacher Fest. Kralls „Die Bürgerliche Revolution“ kommentiert Otte wohlwollend mit der Botschaft: „Ein Reformprogramm für Deutschland – umfassend, durchdacht und auf den Punkt gebracht“.
In einem dreiteiligen Blogbeitrag soll genauer auf dieses zweitweise auf der Spiegel-Bestseller-Liste platzierte Buch eingegangen werden. Teil 1 gibt einige Hinweise zur Person Markus Kralls und geht auf seine Kritik an der parlamentarischen Demokratie ein. Teil 2 behandelt seine Beschwörung der „Kraft der Krise“, die durch die „bürgerliche Revolution“ gelöst werde. Im dritten und letzten Teil wird Kralls politisches Programm und seine „Verfassungsreform“ skizziert und die dreiteilige Serie schließt mit einer zusammenfassenden Bewertung.
Teil 3: Markus Kralls politisches Programm
Kralls marktwirtschaftliches 100-Tage-Programm
Wer bis hierhin noch nicht genug von Markus Krall hat, sollte sich unbedingt mit den Kapitel VIII „Eine bürgerliche Revolution in Deutschland?“ und IX „Eine neue Ordnung der Freiheit“ beschäftigen. Denn hier pinselt Krall relativ konkret sein politisches Programm aus. Keine und keiner soll sagen können, das habe er oder sie nicht gewusst, was Krall da an Ungeheuerlichkeiten ausbreitet.
Kralls Freund im Geiste, der neue-Hambach-Veranstalter Max Otte und frisch gewählte Vorsitzende der Werteunion, beklagt ja gerne die angebliche „Verengung des Meinungskorridors“ in Deutschland. Was Krall in den Schlusskapiteln seines Buches meinungsstark entwickelt, ist eine deutliche Ausweitung des Meinungsspektrums über die tolerablen Grenzen eines demokratischen Grundkonsens hinaus.
Krall skizziert ein marktwirtschaftliches 100-Tage-Programm. Dies werde „allen Beteiligten große Opfer und Schmerzen abverlangen“. Aber wenn die Krallsche Regierung nur schnell und entschlossen genug vorgehe, „dann werden die Selbstheilungskräfte des Marktes allerdings wahre Wunder vollbringen“ (S. 177).
Es lebe der Kaiser!

Im Kern geht es Krall um einen generellen Abbau der Staatstätigkeit auf einen minimalen Umfang. Dabei steht der Abbau des Sozialstaats im Vordergrund, was bei seinen „Reformplänen“ für das Wahlrecht nochmals von Bedeutung sein wird. Dass das Grundgesetz die Bundesrepublik in Artikel 20 als einen demokratischen und sozialen Bundesstaat benennt, interessiert ihn nicht. Sein Vorbild, man höre und staune, ist das Kaiserreich, dessen Staatsquote nur bei 12 % gelegen habe (S. 196).
Seitdem muss es ja bergab gegangen sein, wenn Krall (nicht nur in dieser Hinsicht) zurück zum Kaiserreich will. Schauen wir uns also einige Indikatoren des „Niedergangs“ des Wohlstandes in den letzten 100 bis 150 Jahren an.
- Während die Rate der Säuglingssterblichkeit pro 1.000 Lebendgeborenen im Kaiserreich um die Jahrhundertwende bei 200 lag, ist sie heute auf etwa 3 bis 4 gesunken.
- Die Lebenserwartungen von Frauen lag 1881 bei 38,5 Jahren (Männer 35,6) und stieg bis 2010 auf 82,6 Jahre (Männer 77,5).
- Die Anzahl der Studierenden hat sich innerhalb eines Jahrhunderts von 1891 bis 1991 von 35 Tausend auf 1,64 Millionen um fast das 50fache erhöht.
- Der Reallohn hat sich von 1900 bis 2000 fast versiebenfacht.
- Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit 1902 (in Bergbau, Industrie und Handwerk) lag bei 60 Wochenstunden 100 Jahre später bei 37,3 Stunden.
- Der Anteil der Mitglieder in einer gesetzlichen Krankenversicherung hat sich innerhalb von 100 Jahren (1910-2010) von 20 % auf 63 % mehr als verdreifacht.
- Was die Quote der gesamten öffentlichen Schulden am Bruttoinlandsprodukt angeht, die Krall ja auf Null drücken will, so lag diese im Kaiserreich im Jahr 1900 mit 46 % nur unwesentlich unter dem Niveau, das die Bundesrepublik ein Jahrhundert später aufwies: 59,1 %.
- Krall argumentiert, dass es im Kaiserreich eine „Explosion des Wohlstands durch Wachstum und technischen Fortschritt“ (S. 196) gegeben habe. Tatsächlich hat sich das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in den 40 Jahren von 1870 bis 1910 von 2.303 auf 4.443 Euro nicht einmal verdoppelt, während es sich in den 40 Jahren von 1950 bis 1990 von 4.777 auf 21.294 Euro mehr als vervierfacht hat.
(Quelle: Rahlf, Thomas (Hg.) (2015): Deutschland in Daten. Zeitreihen zur Historischen Statistik.)
Was Krall als 100-Tage-Programm vorschlägt, ist purer Neoliberalismus wie man ihn aus den 1980er Jahren kennt: Deregulierung, Privatisierung, Verkleinerung der Bürokratie, Steuersenkung, absolutes Schuldenverbot für die öffentliche Hand, Abschaffung aller Subventionen, deutliche Senkung der Staatsquote, um nur einige Elemente zu nennen (S. 177, 195 ff.).
Rentenpolitik
Zur „Reform“ des Rentensystems schlägt er, wie könnte es anders sein, die Privatisierung der Rentenkassen und eine Umstellung auf ein kapitalgedecktes System zur Sicherstellung der „Nachhaltigkeit“ vor (S. 200).
Man wundert sich, dass er hier den Begriff der „Nachhaltigkeit“ überhaupt in den Mund nimmt, den er an anderer Stelle seines Buches ätzend kommentierte: „Ich habe übrigens das Wort ‚nachhaltig‘ in der Bibel gesucht und nicht gefunden. Vielleicht findet es sich ja in der nächsten Auflage, ergänzt um das Erste Buch Greta“ (S. 63) Das ist Krallscher Humor mit der Brechstange.
Ganz im Sinne einer Bevölkerungspolitik für Kinderreiche fordert er die „Beendigung der Subvention kinderloser durch kinderreiche Familien … für Kinderlose Rentenkürzungen und für Kinderreiche Rentenerhöhungen“ (S. 200). An anderer Stelle spricht er von einer „gerontokratischen Scheindemokratie …: die der Ausbeutung der Jungen, der Familien, durch die kinderlosen Alten“ (S. 212).
Über ein familienfreundlicheres Beitragssystem für die Rente könnte man natürlich diskutieren. Kralls „Rentenreform“ steht aber im Kontext seiner erzkonservativen Wertvorstellungen, in deren Mittelpunkt Ehe und Familie, Eigentum, Individualität, Religion und Kultur stehen (S. 210). In der Krallschen Verfassung soll demgemäß stehen: „Es gibt zwei biologische Geschlechter: Mann und Frau. Die Ehe ist die Verbindung von Mann und Frau, und sie dient dem Zweck der Familiengründung mit Kindern“ (S. 213).
Ein ungelöstes Rätsel bleibt auch, wie eine kapitalgedeckte private Rentenversicherung mit einer großfamilienfreundlichen Beitrags- und Leistungsstruktur vereinbar sein soll.
Arbeits- und Mietrecht
Unter der Überschrift „Rückkehr zur Vertragsfreiheit“ (S. 202) fordert Krall in seinem 100-Tage-Sofort-Programm die ersatzlose Streichung aller Einschränkungen der Vertragsfreiheit. Das gelte insbesondere für das Arbeits- und Mietrecht.
Uneingeschränkte Vertragsfreiheit ist vorstellbar in einer idealen Situation, in der die Vertragsparteien über gleiche Informationen verfügen und sozial wie ökonomisch gleich stark sind. Dieses Ideal ist fast nirgends vorzufinden, schon gar nicht zwischen Wohneigentum besitzenden Vermietern und Mietern.
Da ahnt man schon, wie das ausgehen mag: Im „frei ausgehandelten“ Mietvertrag wird es keinen Kündigungsschutz mehr geben und Wuchermieten unterliegen keiner Strafandrohung. Und die Einschränkung des unternehmerischen Eigentums durch betriebliche Mitbestimmung, Arbeitsschutzregelungen, Mindestlohn und Arbeitszeitbegrenzung sind in Kralls Freiheitsverständnis auch perdu.
Mit Verweis auf die christlichen 10 Gebote erklärt Krall das Privateigentum für Gottgegeben (S. 57). Für das Krallsche Verständnis von Sozialpolitik ist seine Gegenüberstellung von Eigentum und Raub entscheidend. Alles was unfreiwillig gegeben werde, sei Beraubung. Es sei dabei egal, ob der Räuber, ein Straßenräuber, Schutzgelderpresser oder der Staat sei. Es sei auch egal, „ob der Vorgang Raub genannt wird, Steuer oder Umverteilung“ (S. 57).
Sozialpolitik in Kralls „freier Gesellschaft“ der Leistungsträger ist abgeschafft. Seine Alternative ist Philanthropie, die „milde Gabe“ des reichen „Wohltäters“. Und nur diese freiwilligen Gaben habe einen „positiven spirituellen Wert“, auf den es ihm, der auch vom Bösen (S. 56, 246) und vom Satan (so Mitte Februar 2020 bei einem Vortrag in Schloss Rudolfshausen) spricht, ankommt. Sein Vorbild: wieder das Kaiserreich mit Heilsarmee, Suppenküchen, Rotem Kreuz, Sozialarbeit der Kirchen. Es „gehörte damals zum guten Ton, sich für die Benachteiligten zu engagieren“ (S. 57). Ein gesetzlich verbrieftes, einklagbares Recht auf Unterstützung in einer Notlage wird es in Kralls Republik der Freiheit und des Privateigentums nicht mehr geben. Möge sich der Hilfsbedürftige doch an den Straßenrand stellen und warten, bis ein freiwilliger Spender vorbeikommt.
Lassen wir Krall nochmals selbst zu Wort kommen:
„Unfreie Gesellschaften kennen so etwas wie Philanthropie nicht. Der Staat sorgt für alle, alles und jeden. Seine Vormundschaft reicht von der Wiege bis zur Bahre“ (S. 57).
Interessant und bezeichnend wie Krall „Sorge“ und „Vormundschaft“ gleichsetzt.
„Reform unserer Verfassungsordnung“ – nein Abschaffung des Kernbestands des Grundgesetztes
Man hat in Kralls rot eingebundener Revolutionsbibel, wie schon in Teil 1 und 2 ausgeführt, schon einiges gelesen über die „Mängel“ der Demokratie. Aber mit einer Detailkritik will Krall sich eigentlich nicht aufhalten: So erstrebenswert die Demokratie auch sei, leitet er scheinheilig seine abschließende Bewertung ein, ihr wohne aber „der selbstzerstörerische Keim der Korruption durch eine faule, aber gierige Mehrheit“ inne, „die gerne eine Minderheit der Leistungsträger ausbeuten möchte“ (S. 205).
So ist es nur konsequent, wenn Kralls „Verfassungsreform“, die die Kernbestandteile des Grundgesetzes eliminieren will, auf ein Wahlrecht zielt, bei dem nur diejenigen wählen können, die keine staatlichen Subventionen erhalten. „Jeder Wähler sollte wählen dürfen zwischen der Ausübung seines Wahlrechts und dem Recht auf Empfang staatlicher Transfers“ (S. 233).
Als Wähler hat Krall wahrscheinlich seine oft zitierten 15 Mio. „Leistungsträger“ im Blick, die „den Laden zusammenhalten“ und die am ehesten auf staatliche Transferzahlungen verzichten könnten. Geht man von diesen 15 Mio. aus, würde der Anteil der Wahlberechtigten an der Bevölkerung bei etwa 20 % liegen. So war es ja auch in Kralls präferierter Staatsform, dem Kaiserreich. Krall hat auf dem Hambach Schloss, wie sein „Freund“ Max Otte, auch schon Lieder angestimmt. Beim nächsten Vorsingen stünde wohl „Wir wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wiederhaben“ auf den Liederblättern der alten Kameraden.
Man erinnere sich noch an Kralls radikaler Kritik an den Wahlen zum Europa Parlament („Apartheids-Wahlrecht“!), bei denen er das Prinzip der Wahlstimmengleichheit – eine WählerIn eine Stimme – missachtet sah. Was schert ihn das bei seiner jegliche Gleichheitsgrundsätze missachtenden „Wahlrechtsreform“.
Nun hat er sich dieses neue „Ständewahlrecht“ nicht selbst ausgedacht. Bei einem seiner Säulenheiligen, Friedrich August von Hayek, kann man bereits lesen: „Es kann auch vernünftigerweise argumentiert werden, dass den Idealen der Demokratie besser gedient wäre, wenn etwa alle Staatsangestellten oder alle Empfänger von öffentlichen Unterstützungen vom Wahlrecht ausgeschlossen wären.“ (Die Verfassung der Freiheit, 4. Auflage 2005, S. 135).
Nach dem Klassenwahlrecht aus der Kaiserzeit können wir zum letzten „Reformvorschlag“ Kralls übergehen: Kralls Plädoyer für ein „Wahlkönigtum“ (S. 241). Das Wahlkönigtum sollte mit umfassenden Vetorechten ausgestattet werden (S. 241 f.). Ausführlicher geht er in seinem aktuellen Buch „Freiheit oder Untergang“ auf seine Vorstellungen von einer Wahlmonarchie ein (vgl. die Rezension von Andreas Kemper).
Mehr oder weniger präsidiale, diktatorische oder monarchische Staatsmodelle gibt es natürlich nicht nur bei Krall. Auch der schon in Teil 1 mit seiner die Demokratie denunzierenden „Herrschaft der Minderwertigen“ erwähnte Edgar Julius Jung wollte an die Stelle der Demokratie einen autoritären Präsidialstaat stellen, der über den Parteien steht und diese überwinden soll.
Resümee
Es wurde, in gebotener Ausführlichkeit, aber längst nicht alle Kapitel von Kralls „Bürgerlicher Revolution“ umfassend, der Argumentationsgang Kralls dargestellt. Beispielhaft wurden seine Behauptungen und Argumente widerlegt – soweit sie nicht einfach unwiderlegbare Glaubensätze sind. Damit Krall zu überzeugen, wird nicht gelingen, und ist auch nicht die Absicht. Aber manches, was Krall an Kritik an den bestehenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen vorbringt, wird in Teilen der Bevölkerung geteilt. Und manche Kritik enthält einen nachvollziehbaren, berechtigten Kern. Deshalb lohnt sich die sachliche Auseinandersetzung mit dem Fokus auf ein breiteres Publikum durchaus.
Wenn Krall weitgehend akzeptierte kritische Gesichtspunkte an den Verhältnissen in Wirtschaft und Politik aufgreift, nutzt er diese nur als Argument für seine grundsätzliche Systemkritik. Wie die kritisierten Zustände zum Besseren zu verändern wären, interessiert ihn nicht. Das ist von seinem „revolutionären“ Standpunkt aus auch verständlich. Verbesserungen des verhassten „Systems“ sind nicht gewünscht, das ganze System soll abgeschafft werden. Es stört ihn auch nicht, wenn er in seiner Argumentation immer wieder widersprüchlich argumentiert. So beklagt er auf der einen Seite die Missachtung des Gleichheitsprinzips bei den Wahlen zum Europaparlament und propagiert auf der anderen Seite eine „Wahlrechtsreform“, bei der letztlich nur noch Reiche wählen werden.
Seine wenig differenzierte Sicht auf die Welt reichert er an mit einer dramatisierenden Krisenprophetie. Für Markus Krall gibt es nur Schwarz oder Weiß, Gut oder Böse, Gott oder Satan, Freiheit oder Knechtschaft.
Krall, der das Wort „Freiheit“ inflationär gebraucht, muss man als einen knallharten Antidemokraten kennzeichnen – auch wenn er sich gerne das Mäntelchen des „Demokratieverteidigers“ umhängt. Was in „Der bürgerlichen Revolution“ teilweise nur angedeutet wird, buchstabiert er in seinem aktuellen Buch „Freiheit oder Untergang“ aus und treibt es weiter ins Extreme: Abschaffung der Parteien, Reduzierung des Parlaments in seiner Größe und Arbeitsfähigkeit, Abschaffung der Diäten, Wahlmonarchie mit umfassenden Vetorechten gegen alle Beschlüsse des Parlaments. Der Gedanke, dass für dieses „Staatsmodell“ ein faschistischer „Führerstaat“ Pate steht, drängt sich unmittelbar auf.
Das wird Krall natürlich als Diffamierung zurückweisen. Verbale Abgrenzungen vom Nationalsozialismus wie Stalinismus findet man in seiner „roten Bibel“ in ausreichender Zahl. Und in gewisser Beziehung ist ihm die staatlich gelenkte Wirtschaftsform der NS-Zeit auch zuwider. Schwebt ihm doch als Vertreter einer marktradikalen Richtung in der Ökonomie eher eine Gesellschaft mit einem Minimalstaat vor – oder perspektivisch sogar ein Gemeinwesen, in dem es überhaupt keine staatlichen Strukturen mehr gibt, sondern nur noch private Unternehmen, die ehemals staatliche Funktionen übernehmen, soweit diese auf dem Markt eine zahlungskräftige Nachfrage finden.
Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass Krall ein radikaler Gegner des Sozialstaates ist. Der „Bedürftige“ mag sich an der Suppenküche für ein Mittagessen anstellen, Rechtsansprüche an einen Sozialstaat soll es nicht mehr geben.
Dass er sich dabei auf das Deutsche Kaiserreich (1870-1918) als vorbildliche Geschichtsperiode Deutschlands beruft, ist einfach nur reaktionär und bar jeder historischen Evidenz.
Man könnte all dies als Ansichten eines extremen Kritikers unseres demokratischen Staatswesens abtun – die Meinungsfreiheit erlaubt solche extremen Ansichten –, wenn Krall nicht für die Durchsetzung seiner Ziele den militanten und blutigen Aufstand, die „bürgerliche Revolution“, propagieren würde.
Denn eine Mehrheit für seine Ziele zu gewinnen, diese über demokratische Wahlen durchzusetzen, das ist nicht sein Ding. Die Begründung liefert er in verschiedenen Varianten: Die Wähler sind von der herrschenden Elite korrumpiert, außerdem sind die Massen versifft, faul, gierig und dem Sex verfallen, die politischen, medialen, ökonomischen, kirchlichen Eliten sind gleichfalls korrupt und intellektuell unfähig; sie halten sich mit diktatorischen Mitteln an der Macht. Dagegen hilft, nach Kralls Logik, nur der Aufstand, die Revolution, die im Moment der nächsten Megakrise ausbrechen wird.
Ob man davon ausgehen muss, dass Krall selbst schon die Waffen für den Aufstand bereitgestellt hat, ist sekundär. Darum muss sich gegebenenfalls der Staatsschutz kümmern. Entscheidender ist, dass Krall mit dieser brandgefährlichen Rede von Aufstand und Revolution den Boden bereitet für diejenigen, die zuletzt in Kassel, Halle und Hanau auf Basis ähnlicher (Wahn-)Vorstellungen zu Mördern geworden sind. Deswegen ist es auch richtig, Krall als Rechtsextremisten zu kennzeichnen, der dem Rechtsterrorismus den Boden bereitet. Deswegen ist es auch richtig, nicht zu dulden, dass Krall erneut das Hamacher Schloss für seine reaktionären, demokratiefeindlichen Reden nutzt.
Teil 1 gibt einige Hinweise zur Person Markus Kralls und geht auf seine Kritik an der parlamentarischen Demokratie ein. Im 2. Teil wird zunächst das Thema „Demokratiekritik“ fortgeführt und dann auf Kralls Revolutionsrhetorik eingegangen.
Danksagung
Für sehr hilfreiche Rückmeldungen auf erste Entwürfe zu diesem Text danke ich G., K., M., O., R., T.
Aktueller Hinweis
Am Donnerstag, 17.6.2021, 18:00 findet im Rahmen der Demokratietage #2021HAMBACH1832 in Mannheim ein Vortrag von Andreas Kemper statt: „Wer finanziert die extreme Rechte? Am Beispiel von Markus Krall“. Andreas Kemper ist ein ausgezeichneter Kenner und Kritiker von Markus Kralls rechtsextremen Auffassungen.

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