Von Reden über und auf Hambach

Abendveranstaltung der Stiftung Hambacher Schloss zum 189. Jahrestag des Hambacher Festes

Während am 189. Jahrestag des Hambacher Festes von 1832, dem 27.5.2021, morgens unten in Neustadt die beeindruckende Straßengalerie mit Fotografien zum Alltagsrassismus von Sara Sun Hee Martischius im Rahmen von #2021HAMBACH1832 eröffnet wurde, feierte die Stiftung Hambacher Schloss den Jahrestag mit einer Abendveranstaltung. Sollte dies eine neue Tradition begründen, so ist dieser Auftakt – trotz rein digitaler Übertragung – ausgesprochen gut gelungen.

Der Abend hatte drei Schwerpunkte, die mit Geschichte, Gegenwart und Zukunft umschrieben waren. Die Moderation übernahm, durchaus professionell, die Geschäftsführerin der Stiftung, Ulrike Dittrich, und der wissenschaftliche Mitarbeiter der Stiftung und Historiker, Kristian Buchna. Einen festlich-kulturellen Charakter bekam die Veranstaltung durch Zwischenspiele eines Streichquartetts aus Musikern der Kurpfälzischen Kammerorchesters (KKO), die Werke des deutschen Felix Mendelssohn Bartholdy, des polnischen Stanisław Moniuszko und des wallonisch-französischen Komponisten François-Joseph Gossec spielten – eine treffliche Zusammenstellung, die auf die europäische Dimension des historischen Hambacher Fests verweist.

Geschichte: Reden auf dem Hambacher Schloss

Erster Programmpunkt war ein Gespräch von Kristian Buchna mit der Mainzer Historikerin Sarah Traub. Sie ist Mitherausgeberin eines Sammelbandes mit ausgewählten Reden, die auf dem Hambacher Schloss oder mit Bezug auf das Hambacher Fest gehalten wurden. Das Buch „Hoher Besuch und starke Worte – Zwei Jahrhunderte politischer Reden auf dem Hambacher Schloss“ erscheint im Herbst dieses Jahres. Die Schauspielerin Leni Bohrmann rezitierte aus einigen der besprochen Reden.

Das Gespräch zwischen Buchna und Traub behandelte interessante Aspekte der Rezeptionsgeschichte des Hambacher Festes. So erläuterte Frau Traub, dass das 50. Jubiläum 1882 im Kaiserreich ganz verboten war. Beim 90. Jubiläum, am 25. Mai 1922, sprach zum ersten Mal eine Frau und Politikerin. So weit bekannt hatten viele Frauen zwar am Hambacher Fest 1832 teilgenommen, aber keine dieser Frauen war mit einer Rede hervorgetreten. 1922 sprach die weitgehend in Vergessenheit geratene Katha Thoma. Sie ist 1895 in der Pfalz geboren, war Mitglied der DDP, der Deutschen Demokratischen Partei, einer linksliberalen Partei in den Anfängen der Weimarer Republik, und Vorsitzende der Speyerer Ortsgruppe der DDP. Außerdem wurde sie als Frauenrechtlerin und Aktivisten gegen die damalige französische Besatzung der Pfalz charakterisiert. Ein Wikipedia-Eintrag zu Katha Thomas existiert (noch) nicht. In ihrer Rede am 25. Mai 1922 stellte sie die Versöhnung zwischen den im Ersten Weltkrieg gegeneinander kämpfenden Staaten, den Friedenswillen und die Bewahrung der Demokratie in den Mittelpunkt. Katha Thoma starb bereits 1931.

Während das 125. Jubiläum, 1957, noch ganz im regionalen Rahmen ohne Beteiligung von prominenten Politikern aus der Bundespolitik stattfand, so Sarah Traub, war das 150. Jubiläum 1982 ein bundesweit beachtetes Ereignis, wenn auch politisch gespalten. Die CDU-Landesregierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel feierte das Jubiläum auf dem Schloss, ohne andere Parteien einzubeziehen. Zuvor hatte die rheinland-pfälzische CDU-Landesregierung das Schloss einer gründlichen Renovierung unterzogen. Die SPD verstand sich als die wahre Erbin der Hambacher von 1832 und organisierte mit ihrem damaligen Vorsitzenden, Willy Brandt, eine Kundgebung auf dem Marktplatz von Neustadt. Außerdem gab es parallel dazu ein „alternatives Hambach-Fest“ der linken, Öko- und Alternativbewegung, die sich allerdings an der Stellung zur „Polen-Solidarität“ (Solidarnosc!) zerstritt.

Gegenwart: Matchbox „Building Conversation“

In der Gegenwart angesiedelt ist das Projekt „Matchbox“, das Künstler aus Europa mit Leuten vor Ort in der Metropolregion Rhein-Neckar zusammen bringt. Eines dieser Projekte ist „Building Conversation“. Darüber unterhielt sich Ulrike Dittrich mit Lea Gerschwitz (Kulturbüro der Metropolregion Rhein-Neckar) und Leon Weller von der Engagierten Jugend Neustadt (EJN). Leon Weller ist ausgebildeter Guide für einige der durchaus ungewöhnlichen Kommunikationsweisen von „Building Conversation“ wie das „Gespräch ohne Worte“, das „Unmögliche“ oder das „Agonistische Gespräch“. Im Zuge der Coronakrise wurde eine digitale Gesprächsform kreiiert: „Ferne Gedanken“. Hierbei telefonieren zwei zufällig ausgewählte Personen miteinander, wovon einer oder eine vorgegebener Fragen in das Gespräch einbringt. Im Anschluss an die Abendveranstaltung konnte man an einer solchen Kommunikationsübung teilnehmen.

Zukunft: „Demokratiestadt“ Neustadt und 200-Jahrfeier des Hambacher Festes

Durchaus gegenwärtig, aber mit einem Planungshorizont in die Zukunft, saß im dritten Teil Kristian Buchna dem Oberbürgermeister von Neustadt, Marc Weigl, gegenüber. Im September 2020 fand zum ersten Mal eine Sitzung des Stadtrats von Neustadt auf dem Hambacher Schloss statt. Der Stadtrat verabschiedete bei dieser Sitzung – am symbolträchtigen Ort – zwei wegweisende Beschlüsse einstimmig bzw. mit großer Mehrheit: ein Grundsatzbeschluss zur Profilierung Neustadts als „Demokratiestadt“ und einen Beschluss gegen die Vereinnahmung des Hambacher Schlosses durch radikale, nationalistische und demokratiefeindliche Kreise.

Im Gespräch erkundigte sich Buchna, was denn Neustadt als „Demokratiestadt“ auszeichne. OB Weigel erwähnte einige bereits etablierte Vorhaben und Projekte. So das Demokratienetzwerk mit gut 100 Akteuren aus Bildung, Politik und Verwaltung. Daraus seien beispielsweise die Junior Memory Guides hervorgegangen, ausgebildete jugendliche Stadtführer, die sich speziell auch an Jugendliche wenden (Im Rahmen der Demokratietage #2021HAMBACH1832 findet am 26.6.2021, 14:00 eine “peer-to-peer” Stadtführung durch Stätte der Demokratie und Diktatur in Neustadt statt). Neustadt habe ja nicht nur einen wichtigen Platz in der deutschen Demokratiegeschichte mit dem Hambacher Fest, sondern sei auch Erinnerungsort für die Zeit der Nazi-Diktatur als Hauptstadt des Gaus Saarpfalz und Sitz der Zentrale der Gestapo. Erwähnenswert fand Weigel auch das „Kinderparlament“ in der Kita-Hetzelstift, sowie das Angebot eines kommunalpolitischen Praktikums für Jugendliche. Eine „Demokratiewoche“ findet in diesem Jahr im Juli mit einer Reihe von Veranstaltungen statt. Für die geplante Landesgartenschaubewerbung 2026 seien „Barcamps“ als Möglichkeit der Bürgerbeteiligung geplant, so Weigel weiter.

Schon mit Blick auf die 200-Jahrfeier des Hambacher Festes werde es im nächsten Jahr, 2022, ein größeres „wiederkehrendes Demokratiefest“ geben. Dieses solle niedrigschwellig sein und auch Emotionen ansprechen, denn Demokratie sei oft sachlich und kalt. Sowohl das Schloss als auch die Stadt sollten „bespielt“ werden mit Diskussionsforen, Konzerten, Tagungen, aber auch einem geselligen Teil. Die Partner dieses Festes zum 190. Jahrestag seien, neben der Stadt Neustadt und der Stiftung Hambacher Schloss, das Land Rheinland-Pfalz, der Bezirksverband Pfalz und die Metropolregion Rhein-Neckar. Weigel will bei den bis 2032 im Zweijahresrhythmus folgenden Demokratiefesten auch die sieben Partnerstädte Neustadts einbeziehen, um damit auch eine europäische und internationale Dimension der Demokratiefeste zu eröffnen.

2022 soll es zum ersten Mal einen Demokratiepreis der Stadt Neustadt geben, der beim Demokratiefest vergeben werde. Eine hochkarätige Jury werde einen oder eine PreisträgerIn vorschlagen. Weigl denkt dabei in erster Linie an eine Persönlichkeit, die für Meinungsfreiheit stehe.

Auf die Frage, wie Weigl sich denn dann das große 200-Jahrefest 2032 vorstelle, skizzierte er ein „großes Fest“, das mit vielen europäischen Partnern weit nach ganz Deutschland und drüber hinaus ausstrahle.

Mit diesem Ausblick in eine noch ein Jahrzehnt vor uns liegende Zukunft und entsprechend weitreichenden Wünschen und Vorstellungen rundete sich ein gelungener Abend, der ganz unterschiedliche Perspektiven und AkteurInnen einbezog und auch in dieser Hinsicht vorbildlich kombiniert war.

Die Abendveranstaltung der Stiftung Hambacher Schloss kann auf dem YouTube-Kanal der Stiftung nachvollzogen werden: https://www.youtube.com/watch?v=EGJWP27CfY8

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