Max Otte, die AfD, Freie Pfälzer und andere

Dr. Wolfgang Erich Rolf Kochanek, 66 Jahre alt, Unternehmer aus Neustadt an der Weinstraße und Initiator, Organisator und Finanzier eines Marsches auf das Hambacher Schloss am 28.5.2022, hat sich vornehm aus dieser Aktion zurückgezogen — offiziell. Im Januar rief er unter dem etwas sperrigen Motto „Die aktuelle politische und wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland als Wiederholung der Geschichte von 1918 und 1930“ 30.000 Anhänger und mehr zu einem „Marsch auf das Schloss“ auf. Kochanek hat sich seitdem in Interviews und auf öffentlichen Versammlungen einige Mal geäußert. Der Hambach-Blog hat seine Reden im Januar in Neustadt und im April in Landau kommentiert. Es gibt keine Web-Site, kein Youtube- oder Telegram-Kanal über die sich Kochanek direkt an seine Anhänger wendet. Die Mobilisierung machen andere.
Wer sind die Anderen?
Die Antwort auf diese Frage ist nicht ganz einfach, da die Szene, um die es hier geht, zersplittert in viele Telegram-Kanäle ist. Diese sind nicht so einfach zu „googeln“, wie man das im freien Web gewöhnt ist, abgesehen davon, dass nicht alle Telegram-Kanäle öffentlich sind. Diese Szene sucht gerne das Hinterzimmer.
Max Otte

Als erstes fällt einem Max Otte ein, wie Kochanek Unternehmer und extremer Kritiker der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse in Deutschland. Kochanek setzt in diesem Jahr Ottes Ansinnen fort, mit der Bezugnahme auf das Hambacher Fest von 1832 die heutigen Verhältnisse als vergleichbar diktatorisch wie 1832 zu delegitimieren. Und Otte wie Kochanek pflegen die Attitüde, sie stünden über den Parteien und strebten eine Sammlungsbewegung – von links bis rechts – aller wohlmeinenden, widerstandleistenden „Demokraten“ an. Nur: Bei Ottes Hambacher Treffen 2018, 2019 und 2020 war kein Linker und keine Linke gesehen, sondern die Waagschale hing ziemlich tief rechts: bis in den Rechtsextremismus eines die „bürgerliche Revolution“ ausrufenden Markus Krall, der eine Diktatur der Wohlhabenden anstrebt.
Kochanek hat in den letzten Wochen Max Otte in seiner Eifel-Residenz besucht und ist von ihm restlos begeistert: ein sehr brillanter Mensch, intellektuell sicherlich der obersten Ebene zugehörend, sagt er über Otte in einem Interview.
So ist es kein Wunder, dass Max Otte sich revanchiert und Kochanek seine publizistischen Kanäle zur Verfügung stellt, u.a. in zwei Video-Interviews in Ottes Youtube-Kanal „Politik spezial“ am 30.3. und am 24.4.2022. Ottes Pressesprecher Markus Gärtner, der auch gerne im rechts-esoterisch-populistischen Koop-Verlag publiziert, ist dafür extra nach Neustadt gereist, um Kochanek in seiner alten Papierfabrik eine Plattform für die Werbung für den 28.5. zu geben.
AfD
Von Otte führt der Weg unmittelbar zur AfD. Viel AfD-Prominenz fand sich jeweils bei Ottes Hambach-Veranstaltungen 2018 bis 2020 ein. Und Otte war selbst mehrere Jahre Vorsitzender des Beirats der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Mitglied der AfD war er nie. Er hat angeblich auch nicht vor, der vom Verfassungsschutz beobachteten Partei beizutreten, obwohl er für sie als Kandidat für die Wahl zum Bundespräsidenten angetreten war, und er mittlerweile seine CDU-Mitgliedschaft beendet hat. Seine wohlgefüllte Schatulle hat Otte aber durchaus schon für Spenden an die AfD geöffnet.
Es ist also keineswegs überraschend, dass z.B. der Kreisverband Neustadt der AfD über Facebook für Kochaneks „Marsch auf’s Schloss“ am 28.5 mobilisiert: „Zeigen wir den Altparteien, dass wir eine wahrhaftige Demokratie wollen.“ Bereits Kochaneks Auftakt-Kundgebung am 17.1. wurde von der AfD bejubelt „Erfolg auf ganzer Linie“ postet der Kreisverband auf Facebook. Aber nicht nur das. Peter Stuhlfauth aus Haßloch, Polizeibeamter und Mitglied der AfD-Landtagsfraktion in Mainz, bekam einen exklusiven Auftritt auf Kochaneks Versammlung am 17.1.2022 in Neustadt.
Freie Pfälzer
In der politischen Publizistik findet man so gut wie keine Beschreibungen und Analysen der „Freien Pfälzer“, die seit 2021 vor allem auf Telegram unterwegs sind. Sie waren und sind besonders aktiv bei der Organisation der sog. Corona-Montagsspaziergänge und mobilisieren für den 28.5. zu Kochaneks Demonstration der Weiß-Verkleideten.
Es liegt nahe, dass ihre Namensgebung sich an den „Freien Sachsen“ orientiert. Die Freien Sachsen wurde im Februar 2021 als Sammlungsbewegung gegründet für alle Gruppen, Organisationen und Parteien, die „sich selbstbewusst gegenüber dreisten Vorgaben aus Brüssel und Berlin behaupten“ wollen. Stellvertretender Vorsitzender der Freien Sachsen ist der NPD-Stadt- und Kreisrat aus dem Erzgebirge, Stefan Hartung, der auch dem Vorstand des Landesverbands der NPD angehört. Das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen hat die Freien Sachsen im Juni 2021 als rechtsextrem, das Bundesamt für Verfassungsschutz seit Januar 2022 als Verdachtsfall eingestuft. Die rechtsextreme Klein- und Regionalpartei steht seit Februar 2022 auf der Unvereinbarkeitsliste für eine Doppelmitgliedschaft der AfD.
Ob es über den Namen hinaus organisatorische oder inhaltliche Bezüge zwischen den Freien Pfälzern und den Freien Sachsen gibt, ist nicht bekannt. Allerdings wurden die ersten Meldungen auf dem Telegramkanal der Freien Pfälzer, der am 7.12.2021 startete, von den Freien Sachsen übernommen. Und wie in Sachsen haben sich die Freien Pfälzer besonders um die Organisation der Montagsspaziergänger in der Pfalz bemüht. Für Kochaneks Demonstration am 28.5. sind die Freien Pfälzer seit Januar mobilisierend aktiv: „Giga-Demo 28. Mai 2022. 30.000+ Menschen Historische Demo der Superlative“ hieß es am 31.1.2022 auf ihrem Kanal. „Wir werden den Beginn einer neuen Zeit feiern“, heißt es dort weiter.
Es ist unklar, wer personell hinter den Freien Pfälzern steckt. Der Telegram-Kanal wird aktiv aber anonym betrieben. Auch eine Gründungserklärung, einen Vorstand, einen presserechtlich Verantwortlichen, ein Impressum ist nicht bekannt. Im Dunkeln lässt sich prächtig munkeln.
Doch woher der rechte Wind weht, ist durchaus aus einzelnen Beiträgen erkennbar. So am 6.3.2022. Dort heißt es:
„Selten gab es mehr Gründe auf die Straße zu gehen, um den Unterdrückern zu zeigen‚ dass wir ihre perfiden Machenschaften durchschauen. Ob der inszenierte Krieg, die Zerstörung der Gesundheit durch die C.-Angstkulisse, die Maßnahmen, die Impfschädigungen, oder die künstlich erzeugte Inflation: dies alles sind keine natürlichen, sondern von immer denselben, kriminellen und amoralischen Strippenziehern geschaffene Phänomene. Diese hängen selbstverständlich zusammen und dienen alle demselben Ziel: der weiteren Kontrolle und Ausbeutung der Bevölkerung – gesteuert durch Angst, manipuliert durch die Medien, beherrscht von skrupellosen und absolut ungebildeten und unfähigen Politmarionetten.“
Freie Pfälzer auf Telegram im März 2022
Das klingt verdammt nach Verschwörungserzählung und Kochanek teilt diese Auffassungen, wie man seinen Reden und Interviews entnehmen kann.
Der Stadtverband der Linken in Kaiserslautern spekulierte, dass die Freien Pfälzer eine Vorfeld-oder Tarnorganisation der rechtsextremen Partei „Der 3. Weg“ sein könnten.

In den letzten Tagen gaben die Freien Pfälzer konkrete Hinweise, wie man sich auf den Aufmarsch am Samstag vorbereiten solle: Der weiße Überzieher sollte am besten in einem Rucksack versteckt sein. Trillerpfeilen, Trommeln und andere Lärmgeräte wären einzupacken. Auch ein Spazierstock wäre nützlich. „Ihr seid normale Bürger bis zur Ankunft“ heißt es im Telegram-Kanal der Freien Pfälzer. Bis zur Ankunft? Und dann …
Schön auch die Hinweise, was auf Plakate geschrieben werden soll, etwa: „Die Weißen – für mehr Autokratie!“ An ihren Parolen sollt ihr sie erkennen: Autokratie, eine Herrschaftsform, in der eine Einzelperson oder Personengruppe unkontrolliert politische Macht ausübt und keinen verfassungsmäßigen Beschränkungen unterworfen ist. Vielleicht war aber auch Autarkie gemeint …
Wo ist die Mitte, wo sind die Linken Herr Kochanek?
Fehlanzeige, keine und keiner gesichtet aus der politischen Mitte und der Linken. Es geht hier nicht um „Kontaktschuld“, es geht um politische Gemeinsamkeiten zwischen Kochanek, Otte, AfD, Freien Pfälzer und all denen, die meinten, wir leben wie 1832 in einer Diktatur und dagegen sei Widerstand die erste Bürgerpflicht.
Einen breiten Konsens über alle politischen Parteien hinweg hat der Neustadter Stadtrat von „rechts“ bis „links“ in einem Entschließungsantrag gegen den Missbrauch des Hambacher Schlosses erreicht. Herr Kochanek ist im rechten Sumpf gelandet.
Kochaneks hat vor wenigen Tagen von bereits 11.000 bis 15.000 „Anmeldungen“ gesprochen, die teilweise mit Bussen anreisen. Wenn es nur 200 oder 300 wären, dann wäre Deutschland wirklich am A…., meinte Kochanek in einem Interview. An anderer Stelle äußerte er:
„Es ist unser Fest, nicht deren Fest. Wir stellen das Volk dar, nicht die.“
Ein gewisser Größenwahn ist Kochanek nicht abzusprechen.
Die Alternative heißt: Gesicht zeigen – Demokratie aktiv leben. Am 28.5. nach Neustadt kommen, bunt gekleidet, ab 11 Uhr auf den Marktplatz!
Ulrich Riehm, Freundeskreis Hambacher Fest von 1832

Unser Spendenkonto: Kreativ für Menschenrechte e.V., IBAN: DE96 5486 2500 0002 7622 18, BIC: GENODE61SUW, Stichwort: Gesicht zeigen
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