Aber was macht eigentlich die Stiftung Hambacher Schloss?
Für den 23. Mai 2020 hatte Max Otte sein drittes sog. neues Hambacher Fest angekündigt. Am gleichen Tag wollte das Regionale Bündnis gegen Rechts, wie schon im letzten Jahr, ein Demokratiefest veranstalten. 188 Jahre ist es her, als Ende Mai 1832 Tausende zum Hambacher Schloss zogen und das Hambacher Fest für Demokratie, Freiheit und politische Einheit feierten. Seit 2018 versucht Max Otte – Crash-Prophet, CDU-Mitglied und AfD-Unterstützer – in Neustadt an der Weinstraße und auf dem dortigen Hambacher Schloss ein sog. neues Hambacher Fest zu einem Jahresereignis der rechtsgerichteten politischen Szene zu machen. Lange war unklar, was er 2020 vorhat. Dann startete er mit etwas, das nur Verwirrspiel genannt werden kann. Er begann mit dem Verkauf von Eintrittskarten zunächst für einen Termin im Mai, dann im Juli, obwohl klar war, dass die Einschränkungen für Veranstaltungen in geschlossenen Räumen wegen der Corona-Pandemie eine solche Veranstaltung nicht ohne Weiteres möglich machen würde. Ob er jemals Zusagen von der Stiftung Hambacher Schloss bekommen hatte, blieb im Dunkeln. Leider hat die Stiftung selbst nichts dazu beigetragen, diesbezüglich Klarheit zu schaffen. Im folgenden Artikel werden Max Ottes Vorbereitungen für ein drittes „Fest“ 2020 und die (Nicht-)Reaktionen der Stiftung nachgezeichnet, soweit sie uns bekannt geworden sind.

Gibt es ein drittes sog. neues Hambacher Fest 2020?
Lange war in der Öffentlichkeit unklar, ob Max Otte auch 2020 seine Anhänger nach Hambach einladen wird. Einerseits hatte er immer vorgejammert, wie teuer ihn diese Veranstaltung komme, andererseits hatte er nie einen Zweifel daran gelassen, dass er sein neues Hambacher Fest zu einem festen Termin im Kalender der von ihm angestrebten rechten Sammlungsbewegung zwischen wertkonservativer CDU/CSU, AfD und Rechtsextremisten auch jenseits der Meuthen-AfD machen will. So ist es kein Wunder, dass er den Begriff „Neues Hambacher Fest“ sogar beim Deutschen Patentamt als Marke hat eintragen und schützen lassen. Treffender wäre allerdings die Bezeichnung: schwarzbrauner Hambacher Test.
Max Ottes E-Mail vom 15.4.2020: Veranstaltung am 23.5. auf dem Hambacher Schloss – trotz Corona?
Aber dann geht es plötzlich Schlag auf Schlag. Am 15.4.2020 teilt Otte seinen „lieben Mitstreitern und verehrten Patrioten“ eine „gute Nachricht“ mit:
„Am 23. Mai 2020 soll es eine Sonderveranstaltung im Rahmen des Neuen Hambacher Festes geben. Wir verleihen, wie im letzten Jahr, im Rahmen einer Nachmittags-/Abendveranstaltung den Preis für Zivilcourage an eine Person, die Diskriminierung und Boykott erdulden muss oder musste, weil sie sich erdreistet, eine eigene Meinung zu haben. … Das Ganze soll im Festsaal des Hambacher Schlosses stattfinden. Je nach Kapazität stehen 150 bis 200 Plätze zur Verfügung. Der reguläre Preis ist 195,00 € (was bei weitem die Kosten nicht deckt). … Die Gaststätte auf dem Hambacher Schloss hat bereits grünes Licht gegeben, …“
Moment mal. Otte schreibt das am 15.4. dieses Jahres. War da nicht was? Corona? Bei der zuständigen Landesregierung kann man lesen „Veranstaltungen im Innenbereich sind derzeit untersagt“. Alles nur heiße Luft? Es ist schwer vorstellbar, dass die für das Restaurant des Schlosses zuständige Betriebs GmbH und die letztlich verantwortliche Stiftung sich über das Veranstaltungsverbot des Landes hinweggesetzt haben.
In dem schon zitierten Schreiben behauptet Otte weiter, die Diskussion mit der Stiftung Hambacher Schloss zu dieser Veranstaltung am 23.5. ziehe sich hin, die Stiftung wolle offensichtlich die Preisverleihung boykottieren. Sie wolle angeblich wissen, „wer genau die Gäste sein werden“. Dagegen aufzutreten, ruft er jetzt seine Anhänger auf. Sie sollen sich mit einer E-Mail an die Geschäftsführerin der Stiftung protestierend wenden, in der sie mitteilen, dass sie noch niemals straffällig geworden seien und keiner extremistischen Partei oder Gruppierung angehörten. Ein vorformulierter „Ich-bin-ein-Demokrat-Mail-Text“ hat er gleich beigefügt.
Obwohl die Stiftung Hambacher Schloss vermutlich Max Otte keine Veranstaltungszusage für den 23.5. gegeben hat, startete dieser trotzdem seinen Kartenvorverkauf für diesen Termin.
Ottes E-Mail vom 21.4.2020: Veranstaltung wird stattfinden
Sechs Tage später bedankt sich Otte bei seinen Anhängern für ihr Engagement beim E-Mail-Schreiben an die Stiftung, die bereits Wirkung gezeigt habe:
„die Rechtsanwälte der Stiftung Hambacher Schloss haben uns geschrieben, dass die Veranstaltung am 23.5.2020 zwar aufgrund des Corona-Lockdowns nicht stattfinden kann, dass man uns aber Ersatztermine nennen wird, sobald ein Ende des Lockdowns absehbar ist.“
Man solle aber auf jeden Fall schon mal die Eintrittskarten für 195 Euro buchen, da die Plätze begrenzt seien.
Eine Stellungnahme der Stiftung zu dieser Schmierenkomödie Ottes haben wir trotz mehrfacher Nachfrage bei der Geschäftsführerin und beim Stiftungsvorstand bisher nicht erhalten.
Ottes E-Mail vom 12.5.2020: exklusives, kleines Hambacher Fest am 10.7.2020
Weitere drei Wochen später kann Otte einen neuen Termin verkünden:
„… Nach 2018 und 2019 wird es nach jetzigem Wissensstand auch 2020 wieder ein Neues Hambacher Fest geben. Ihre vielen Mails mit dringlichen Aufforderungen an die Geschäftsführerin der Stiftung und persönlichen Informationen haben den Ausschlag gegeben. Herzlichen Dank an Sie alle! Dieses Jahr feiern wir ein exklusives ‚kleines Hambacher Fest‘ mit 150 Personen in gediegenem Rahmen im Festsaal des Schlosses: Am 10. Juli ab 15 Uhr werden wir den ‚Preis für Zivilcourage 2020‘ vergeben können. Dazu wird es Reden geben, eine Abendveranstaltung mit 3-Gänge-Menü und einem Liederabend. Der Preisträger ist eine höchst renommierte Person, die sich im Rahmen der Corona-Krise um Bürgerrechte und Aufklärung verdient gemacht hat. Auch einige sehr bekannte Personen des öffentlichen Lebens haben schon ihre Teilnahme zugesagt. Die Teilnehmerzahl ist auf 150 Personen begrenzt. …“
Ob unter den gegebenen Umständen im Festsaal des Hambacher Schlosses die vermutlich weiter geltenden Hygieneregeln (Abstand, Mund-Nasen-Schutz) eingehalten werden können, muss die Stiftung erst noch beantworten. Zweifel sind angebracht.
Im Übrigen lädt Max Otte in der Woche vor dem dritten sog. neuen Hambacher Fest nun auch noch zu einer „Patrioten Wanderung“ (6. bis 8. Juli) im Pfälzer Wald ein. Singend und fröhlich feiernd wolle man durch den Pfälzer Wald laufen und auf historischen Spuren der Deutschen Geschichte wandeln. Die Teilnehmergebühr (ohne Verpflegung und Übernachtung) beträgt 69 Euro. Otte hatte auch 2016, 2017 und 2018 mehrtägige sog. „Spaziergänge nach Berlin“ veranstaltet. Der Marsch auf das Kanzleramt ist wohl für 2023 geplant?
Bis 20.5. sollten die Interessierten die knappen, aber nicht ganz billigen Karten gebucht haben. Diese Frist wurde allerdings verlängert, der Ansturm hielt sich wohl in Grenzen. Vielleicht verständlich, denn Otte verkauft gerne die Katze im Sack. Niemand weiß derzeit, welche Redner das Wort ergreifen dürfen und welcher Anti-Corona-Kämpfer den Otte-Preis bekommen wird. Nur der Liederabend mit Max Otte an der Klampfe steht schon fest.
Wie steht die Stiftung Hambacher Schloss zu Max Ottes Veranstaltungen?
Nicht nur Ottes Veranstaltung in Hambach und Neustadt an und für sich, sondern auch die Tatsache, dass die Stiftung Hambacher Schloss ihm 2018 das gesamte Schloss zur Verfügung gestellt hatte und die Öffentlichkeit komplett ausgeschlossen war, hatte damals in der interessierten Öffentlichkeit einige Irritationen ausgelöst. Sogar die zentrale Ausstellung zum Hambacher Fest von 1832 konnte wegen Ottes Event nicht besucht werde. Ein offener Brief an die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, ein Neustadter Appell verbunden mit eine Unterschriftensammlung an den Bundespräsidenten und andere Aktionen hatten die Forderung aufgestellt, Veranstaltungen, die dem Geist des Hambacher Festes von 1832 widersprechen, zu verhindern.
In diesem Sinne hatte sich am 30.10.2019 der Freundeskreis Hambacher Fest von 1832, der diesen Blog betreibt, das Regionale Bündnis gegen Rechts (Neustadt) und der Vorsitzende der Hambach Gesellschaft an den Stiftungsvorstand gewandt. Dem Vorstand wurde von dieser Gruppe einige der rechtsextremistischen Inhalte, die auf Ottes sog. neuen Hambacher Fest verbreitet wurden, dargelegt, die dem Vorstand vielleicht bisher nicht bekannt waren. Außerdem wurden Vorschläge und Forderungen formuliert, wie der Vorstand zukünftig auf Veranstaltungen vom Typ „neues Hambacher Fest“ reagieren sollte. Am 2.12.2019 hatte der Vorstand der Stiftung getagt. Auf das Angebot, dass die Initiatoren der oben genannten Darlegungen auf der Vorstandssitzung das Anliegen gerne persönlich vortragen würden, wurde leider nicht eingegangen.
Was wurde nun auf der Vorstandssitzung diskutiert, veranlasst, vielleicht sogar beschlossen? Mehre Nachfragen blieben zunächst erfolglos. Schließlich, nach fast fünf Monaten, schickte der Vorstand am 27.4.2020 ein Schreiben über die „zahlreichen Aktivitäten der Stiftung als Aktion zu bzw. Reaktion auf versuchte Vereinnahmungen des Hambacher Schlosses durch populistische Veranstalter“.
Dieses Schreiben enthält durchaus positive Ansätze, wenn auch vieles im Vagen bleibt. Vor allem aber, wird nicht mitgeteilt, was der Vorstand auf seiner Sitzung am 2.12. diskutiert und gegebenenfalls sogar zu unserer Initiative eines Umgangs mit Veranstaltungen vom Typ neues Hambacher Fest initiiert oder gar beschlossen hat.
Das Schreiben des Vorstandes erwähnt einen „Offenen Brief“ des Vorsitzenden der Stiftung an Max Otte. Dieser Brief ist so „offen“, dass er auch nach intensiver Google-etc.-Suche nicht gefunden werden konnte. Man würde ihn ja in erster Linie auf der Web-Site des Hambacher Schlosses erwarten. Auch eine mehrfache Bitte um Zusendung dieses „Offenen Briefes“ war bisher ohne Erfolg.
Die im Schreiben des Vorstandes verwendete Formulierung „populistisch“ oder auch „rechtspopulistisch“ für Ottes Veranstaltung halten wir für eine Verharmlosung. Eine Begründung für diese Auffassung findet man in unserer Eingabe vom 30.10.2019 an den Vorstand – die vielleicht nicht gelesen wurde.
Im Schreiben des Vorstandes vom 27.4.2020 wird angedeutet, dass das Prüfrecht des Vorstandes und die Verfahrensweisen nach dem „AfD-Urteil“ (gemeint ist vermutlich das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt vom 19.10.2016 3 L 899/16.NW) angepasst worden seien und die Betriebs GmbH ihre Mietverträge ebenfalls angepasst habe. Dies geht durchaus in die Richtung unserer Vorschläge und Forderungen. Allerdings würden wir gerne die Details dieser Änderungen kennen, um besser beurteilen zu können, inwieweit sie mit unseren Vorschlägen konvergieren. Entsprechende Nachfragen: Unbeantwortet.
Unbeantwortet blieben bisher auch alle Nachfragen zu Ottes gegenwärtigen Verwirrspielen bezüglich einer Veranstaltung auf dem Hambacher Schloss im Mai, Juni oder Juli. Wie die Sicht des Stiftungsvorstandes auf die tatsächlichen oder angeblichen „Verhandlungen“ mit Max Otte aussieht, würde uns brennend interessieren.
Und wenn es tatsächlich eine Zusage des Stiftungsvorstandes für eine Veranstaltung Ottes am 10. Juli geben sollte, würden wir gerne die Begründung kennen. Will die Stiftung wirklich Leuten wie Markus Krall, die eindeutig als Rechtsextremisten zu kennzeichnen sind, das Schloss als Plattform zur Verfügung stellen, die das Hambacher Fest von 1832 verfälschen und missbrauchen und damit dem öffentlichen Ansehen der Stiftung Hambacher Schloss einen immensen Schaden zufügen?
Ulrich Riehm
(Für konstruktive Rückmeldungen zu einem ersten Entwurf dieses Artikels danke ich MH und GR.)
Demokratiefest in Neustadt am 23.5.2020 wegen Corona abgesagt
Wie 2019 sollte am Tag von Ottes ursprünglich geplantem dritten, sog. neuen Hambacher Fest, am 23.5.2020, in Neustadt ein „Demokratie Fest“ stattfinden, das vom Regionalen Bündnis gegen Rechts und unterstützt von Künstlerinnen und Künstlern der Mannheimer Initiative „Bunte Vielfalt statt völkischer Einfalt” organisiert werden sollte. Wegen der coronabedingten Einschränkungen musste dies leider abgesagt werden. Entsprechend musste auch eine geplante Informationsveranstaltung in Neustadt Ende April zu Max Ottes Kaperung der demokratischen Tradition des Hambacher Festes verschoben werden.
Max Otte und das sog. neue Hambacher Fest
Zweimal, 2018 und 2019, hat Max Otte, der Wanderlieder singende Crash-Prophet, Vermögensverwalter, AfD-Anhänger, CDU-Mitglied und ehemalige Fachhochschulprofessor, sein sogenanntes neues Hambacher Fest auf dem Hambacher Schloss und im nahen Neustadt an der Weinstraße inszeniert. Eine gar nicht bunte Mischung an Rednerinnen und Rednern hat er dazu jeweils eingeladen: Daniele Ganser, Markus Krall, Vera Lengsfeld, Jörg Meuthen oder Thilo Sarrazin, um nur einige zu nennen. Gut Tausend meist gut betuchte Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus nah und fern konnte er dazu gewinnen, die politisch die Parole „Merkel muss weg“ eint, aber durchaus auch begeistert klatsch und jubelt, wenn Markus Krall zur „bürgerlichen Revolution“ aufruft. Aus der Region, teilweise auch in den überregionalen Medien, wurde insbesondere kritisch kommentiert, dass Otte sich auf das Hambacher Fest von 1832 beruft. Man kann es auch schärfer formulieren, manche haben sich empört über Ottes missbräuchliche Bezugnahme auf das Hambacher Fest von 1832. Das Hambacher Fest ist eine der Marksteine der Geschichte Deutschlands auf dem langen Weg zur Demokratie. Tausende hatten sich auf dem Hambacher Schloss versammelt und gegen die reaktionäre Fürstenherrschaft protestiert und Forderungen für Meinungsfreiheit und Volkssouveränität aufgestellt. Die vielen polnischen Flüchtlinge, Freiheitskämpfer für ein souveränes Polen, wurden auf dem Fest solidarisch begrüßt. Viele Hambacher Aktivisten wurden wegen ihres Einsatzes für Freiheit, Demokratie, nationale und europäische Solidarität und Einheit mit Gefängnis bestraft oder mussten ins Exil fliehen.
Der Hambacherfest1832.blog hatte sich im Vorfeld von Ottes rechtsgerichteter Veranstaltung auf dem Hambacher Schloss 2018 gegründet und berichtet seit dem kontinuierlich über dessen Aktivitäten.