Wem gehört das Hambacher Schloss?

Der Hambach-Blog greift am Beispiel der Tagung der Deutschland-Stiftung 1970 und des Parteitags der Republikaner 1988 diese von der „Rheinpfalz“ gestellte Frage auf

Wem das Hambacher Schloss gehört, ist relativ einfach zu beantworten. Es gehört der Stiftung Hambacher Schloss, deren hauptsächlicher Stifter das Land Rheinland-Pfalz ist, ergänzt mit geringeren finanziellen Anteilen des Bezirksverbandes Pfalz, des Landkreises Bad Dürkheim und der Stadt Neustadt an der Weinstraße. Der Bund gehört nicht zu den Stiftern, ist aber wegen gewisser Zuwendungen im Vorstand der Stiftung vertreten. Diese Finanzierungsanteile durch den Bund sind allerdings angesichts der europäischen und nationalen Bedeutung des Schlosses und der anstehenden 200-Jahr-Feier 2032 deutlich zu gering und sollten dringend aufgestockt werden.

Die Frage, wem das Hambacher Schloss gehört, die in der Wochenendausgabe der Rheinpfalz vom 9.12.2023 aufgeworfen wurde, hat aber eine andere Bedeutung. Welche politische Strömung, Gruppe oder Partei kann oder darf für eigene Veranstaltungen das Hambacher Schloss nutzen und sich dabei auf das „Vermächtnis“ des Hambacher Festes von 1832 berufen.

An der Grenze zum Spektakel. Interview mit Kristian Buchna und Marc Weigel. Rheinpfalz 9.12.2023

Die „Rheinpfalz“ widmet sich dem Thema Hambach

Die Rheinpfalz verwendet zwei Zeitungsseiten für dieses Thema. Da findet man zum einen ein Doppelinterview mit dem Neustadter Oberbürgermeister Marc Weigel und mit Kristian Buchna, Historiker bei der Stiftung Hambacher Schloss. Dieses Interview ist in der Neustadter Regionalausgabe (Mittelhardter Rundschau) der Rheinpfalz erschienen.

Anke Herbert: Wem gehört das Hambacher Schloss? Rheinpfalz 9.12.2023

Der zweite Artikel der Neustadter Redaktionsleiterin der Rheinpfalz, Anke Herbert, mit dem Titel „Wem gehört das Hambacher Schloss?“ ist in der Gesamtausgabe der Rheinpfalz enthalten. Diese hat immerhin eine verkaufte Auflage von über 200.000 Exemplaren und erreicht damit fast 600.000 Leserinnen und Leser.

14-täglich Demonstrationen zum Hambacher Schloss

Seit Frühsommer dieses Jahres finden alle 14 Tage sonntags Demonstrationen statt, die vom Ort Hambach auf das Hambacher Schloss führen. Manchmal sind es nur 50 Teilnehmer, dann können es aber auch mal an die 500 sein. Mancher HambacherIn geht dieses sonntägliche Getöse mit Trommeln und Pfeifen ziemlich auf die Nerven. Für die Organisation ist jeweils eine andere Gruppe aus dem Querstänker-Milieu der Region zuständig: Neustadt, Bad Dürkheim, Mainz, Heidelberg, Mittelbaden etc. Der Hambach-Blog hat über eine diese Versammlungen mit dem Reichsbürger Wolfgang B. aus Lorsch bereits berichtet.

Was da jeden zweiten Sonntag den Schlossberg erklimmt, lässt sich – trotz aller Unterschiede im Detail – auf einen politischen Nenner bringen: Sie behaupten, wir lebten in Deutschland in einer Diktatur oder seien mindestens auf dem Weg dahin. Das ist auch ihr Anknüpfungspunkt an das Hambacher Fest von 1832: Damals rebellierten breite Teile der Bevölkerung gegen die in München residierenden absolutistischen Herrscher der Rheinpfalz. Auch aus anderen deutschen Landen waren Delegationen vertreten, die sich gegen Kleinstaaterei und für demokratische Rechte und Freiheiten einsetzten. Mit Vertretern aus anderen europäischen Ländern, insbesondere Polen und Frankreich, stand das Hambacher Fest auch für die Solidarität der Demokratiebewegungen Europas und der Forderung nach einer „europäischen Föderation“.

Aber für was das „Hambacher Erbe“ steht, war in den fast 200 Jahren seit 1832 schon immer umstritten. Kristian Buchna zählt im Interview in der Rheinpfalz einige herausragende Konflikte der letzten Jahrzehnte auf. Es werden im Folgenden zwei aufgegriffen: die Tagung der Deutschland Stiftung 1970 und der Parteitag der Republikaner 1988. Beide fanden auf dem Schloss statt und führten zu Gegenprotesten.

Deutschland Stiftung 1970 auf dem Hambacher Schloss

„Im Mai 1970 knallte es zum ersten Mal richtig. Damals verlieh die noch junge national-konservative Deutschland-Stiftung ihren Konrad-Adenauer-Preis an drei Preisträger, und das auf dem Hambacher Schloss.“

 Anke Herbert: Wem gehört das Hambacher Schloss? Rheinpfalz 9.12.2023

Preisträger waren die heute kaum mehr bekannten Pascual Jordan, Manfred Hausmann und Winfried Martini.

Der Hambach-Blog hat die Erinnerungen eines Organisators, Otto König, der damaligen Protestkundgebung gegen die „Deutschland-Stiftung“ veröffentlicht. Otto König ist in Neustadt aufgewachsen und war 1970 gewerkschaftlicher Betriebsratsvorsitzender der „Telefonbau u. Normalzeit“ (T&N) in Neustadt, einem Unternehmen der Telekommunikationsbranche, das es schon lange nicht mehr gibt. Am 31.3.2023 ist er im Alter von 77 Jahren verstorben.

Dokumentation über die „Deutschland Stiftung“ und ihre Preisträger 1970 auf dem Hambacher Schloss

Die Reden, die von den „rechtskonservativen“ oder gar „rechtsradikalen“ Teilnehmern auf dem Schloss 1970 gehalten wurden, erinnern durchaus an das, was in der „Wir-leben-in-einer-Diktatur“-Szene auch heute vorgebracht wird.

Man habe „den terroristischen Zeitgeist in die Schranken gewiesen und eine Wende zur inneren Gesundung des deutschen Volkes herbeigeführt“ war eine der Sentenzen dieser Herren, wie man einem Artikel von Sepp Binder aus der Zeit 22/1970 vom 29.5.1970 entnehmen kann.

  • Wenn damals von sittlicher und politischer Anarchie oder dem „Parasitentum der Hippies und Gammler“ gesprochen wurde, so heißt das heute „links-grün-versifft“.
  • Wenn damals von den Kräften gesprochen wurde, „die die Grundlagen des Staates zielbewusst unterminieren“, so wird heute die „Pleite aller Pleiten“ unseres Staates vorausgesagt, die von den etablierten Politikern sehenden Auges herbeigeführt würde.
  • Wenn damals formuliert wurde, dass das Konsortium von Gaunern, Gangstern und Snobs, das manche Schalthebel bediene, überwunden werde müsse, so heißt es heute, etwa bei Markus Krall, die Berliner Politiker seien Nichtskönner, Versager, Faule, Dumme, Feudalzwerge, krank im Kopf und korrupt.
  • Und wenn damals vor einer „Inflation der Demokratie“ und einer „Überhöhung der Grundrechte“ gewarnt wurde, so gibt es heute unter den Kräften, die 14-tägig auf das Hambacher Schloss ziehen oder in den letzten Jahren auf dem Schloss aufgetreten waren, Personen, die gerne zu den politischen und sozialen Verhältnissen des Kaiserreichs zurückkehren wollen. Da wird etwa von Markus Krall ein Wahlrecht skizziert, das faktisch nur den wohlhabenden Schichten offensteht, und das Verbot aller Parteien gleich mitgefordert.

Damals zogen, so Sepp Binder in dem schon erwähnten Zeit-Artikel, „mehr als fünfhundert junge Menschen aus Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg … diesmal vom Neustädter Bahnhof durch Kastanienwälder hinauf zum Schloß, um gegen die ‚[Deutschland-]Stiftung‘ zu protestieren. Vorneweg, vertraut mit den Wanderwegen, die einheimische Naturfreundejugend, dahinter die Arbeiterjugend, Jungsozialisten, Pfarrer und Gewerkschafter.“

Was waren das noch für Zeiten, als der Protest gegen den „Missbrauch des Hambacher Schlosses“ auch rechts des Rheins TeilnehmerInnen mobilisierte und Pfarrer und Gewerkschafter, Naturfreunde und Sozialisten gemeinsam auf die Straße gingen.

Parteitag der Republikaner 1988 auf dem Hambacher Schloss

Weitgehend in Vergessenheit geraten ist der Parteitag der Republikaner 1988 auf dem Hambacher Schloss (vgl. etwa die Artikel in der taz vom 14.6.1988 und 16.6.1988 ).

Republikaner? Das ist doch die Partei von Donald Trump. Was haben die mit Hambach zu tun? Nichts.

Dem höchst seriösen Historischen Lexikon Bayern kann man über die Partei „Die Republikaner“ entnehmen:

„Die Partei ‚Die Republikaner‘ wurde 1983 von ehemaligen CSU-Mitgliedern gegründet. Aufgrund ihrer Nähe zu rechtsextremen Parteien und ihrer rechtsgerichteten Propaganda vor den Wahlen 1989 wurde sie von 1992 bis 2006 vom Verfassungsschutz überwacht. Größere politische Erfolge verzeichnete die Partei hauptsächlich bei den Landtagswahlen in Bayern (1989) und Baden-Württemberg (1989, 1994) sowie 1989 bei der Europawahl. Seit ihrem Ausscheiden aus dem Landtag in Baden-Württemberg 2001 ist die Partei lediglich auf kommunaler Ebene vertreten.“

Historisches Lexikon Bayern

1983 gegründet, führten innerparteilichen Streitereien bald zu einem deutlichen Mitgliederschwund, wie die taz 1988 schrieb. Franz Schönhuber hatte 1985 den Parteivorsitz übernommen und wollte die „REP“ nach dem Vorbild der französischen Front National nach rechts rücken. In dieser Situation veranstalteten die REPs, und zwar am geschichtsträchtigen Tag der deutschen Einheit, damals ein Feiertag in West-Deutschland, ihren Parteitag auf dem Hambacher Schloss.

Einem Protokoll des Landtags von Rheinland-Pfalz vom 23.6.1988 (Landtagsprotokoll vom 23.6.1988 Fragestunde Frage b ) kann man entnehmen, dass die damalige SPD-Fraktion am 8.6.1988 der Landesregierung die folgenden Fragen stellte:

„1. Treffen Informationen des Nachrichtenmagazins ‚Der Spiegel‘ zu, daß das Hambacher Schloss für eine Veranstaltung der ‚Republikaner‘ zur Verfügung gestellt wurde?
2. Wie beurteilt sie gegebenenfalls den Sachverhalt?“

Die SPD-Fraktion begründete ihre Anfrage damit, dass sie das Hambacher Schloss als ein Symbol für Demokratie, Recht und ein friedliches Zusammenleben der Völker ansehe und offizielle Veranstaltungen extremistischer Gruppierungen auf dem Hambacher Schloss für damit unvereinbar halte.

In der Antwort des damaligen Kultusministers, Georg Gölter (CDU), verwies dieser darauf, dass das Schloss nicht im Besitz des Landes, sondern des Landkreises Bad Dürkheim sei. Der dortige Landrat, Hermann Josef Deutsch (CDU), habe den Mietvertrag mit den Republikanern abgeschlossen. Die Landesregierung bedauere dies, denn sie sei der Überzeugung, dass „die Republikaner nicht in der schwarz-rot-goldenen freiheitlichen Tradition des Hambacher Festes“ stünden. Sie hätte es begrüßt, wenn der Landrat vorher mit der Landesregierung Kontakt aufgenommen hätte. Die Landesregierung hätte dann ihr „vorrangiges Nutzungsrecht“ geltend machen können.

Ob denn die Landesregierung Möglichkeiten sehe, Vorkehrungen gegen einen weiteren Missbrauch des Hambacher Schlosses zu treffen, ergänzte in einer Zusatzfrage der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende Scharping, eine Frage, die bekanntermaßen auch heute immer wieder gestellt und kontrovers beantwortet wird.

Gölter kam mit Verweis auf vorliegende Gerichtsurteile zu einer „sehr zurückhaltenden Bewertung“. Er verwies dabei u.a. auf ein Urteil des OVG Rheinland-Pfalz von 1985, das die Stadt Neustadt verpflichtete, den im Besitz der Stadt befindlichen Saalbau der NPD für eine Veranstaltung zur Verfügung zu stellen. In diesem Zusammenhang brachte Gölter auch den Gedanken einer Benutzerordnung für das Schloss auf, der allerdings juristisch äußerst komplex sei. Die Benutzerordnung müsse gegebenenfalls so restriktiv formuliert sein, wie man es sich nicht wünschen könne.

Diese Diskussion um eine Benutzer- oder, wie es heute heißt, „Besucherordnung“ wurde in den letzten Jahren erneut geführt und hat schließlich 2020 zu einer entsprechenden Überarbeitung der bestehenden Besucherordnung durch den Stiftungsvorstand geführt. Der Hambach-Blog berichtete darüber. In der Besucherordnung für das Hambacher Schloss heißt es jetzt u.a.

„Maßnahmen, Veranstaltungen und Projekte, auf denen verfassungswidriges, extremistisches, rassistisches, antisemitisches oder antidemokratisches Gedankengut dargestellt und/oder verbreitet wird, sind untersagt. Ebenso sind Maßnahmen, Veranstaltungen und Projekte mit extremistischen, rassistischen, antisemitischen oder antidemokratischen Inhalten untersagt. Es ist untersagt, in Wort, Schrift oder Gesten die Freiheit und Würde des Menschen (Art. 1 GG) verächtlich zu machen sowie Kennzeichen und Symbole zu verwenden, zu verbreiten oder offen zu tragen, die im Geiste verfassungsfeindlicher oder verfassungswidriger Organisationen stehen oder diese repräsentieren.“

Besucherordnung für das Hambacher Schloss in der Fassung vom 9.5.2023

Neustadt: „Mekka der Rechtsparteien“?

In der Landtagssitzung 1988 wurde die provokative Frage gestellt, ob Neustadt mittlerweile ein „Mekka der Rechtsparteien“ sei? Man muss es fast annehmen, wenn man die letzten Jahre betrachtet. Mit dem Anspruch einer „Demokratiestadt“ ist das natürlich nur schwer vereinbar. Das liegt vielleicht auch an einem etwas kurzen Gedächtnis des Neustadter Oberbürgermeisters Marc Weigel. Der äußerte im Interview mit der Rheinpfalz, dass er sich nicht an „Auseinandersetzungen und Kundgebungen“ erinnern könne, wie wir sie seit 2021 haben.

„Aus städtischer Sicht ist die Häufigkeit und die Art und Weise, wie bestimmte Gruppen in den letzten zwei, drei Jahren das Hambacher Schloss für sich nutzen wollen, ein neues, ich sage auch Post-Covid-Phänomen.“

Oberbürgermeister Marc Weigel im Interview mit der Rheinpfalz vom 9.12.2023

Da reicht das Gedächtnis des gelernten Lehrers für Politik leider nicht weit genug zurück. Bereits 2018, 2019 und 2020 veranstaltete Max Otte, teilweise direkt auf dem Schloss, sein sog. neues Hambacher Fest, um ein schwarz-braunes Bündnis vorzubereiten. Und über die Ereignisse Jahre und Jahrzehnte davor müsste er nur Kristian Buchna zuhören, um die Kontinuität rechter Vereinnahmungen des Hambacher Schlosses zu erkennen.

Generell kann man den Eindruck gewinnen, dass die Stadtspitze die lange Geschichte rechtskonservativer, rechtspopulistischer und rechtsextremistischer Kräfte in Neustadt und auf dem Hambacher Schloss eher als ein verwaltungstechnisches und nicht als ein politisches Problem für die „Demokratiestadt“ Neustadt ansieht.

Ulrich Riehm, Freundeskreis Hambacher Fest von 1832

Für konstruktiv-kritische Kommentare zu ersten Entwürfen zu diesem Blogbeitrag Danke an G.

Mehr zur Geschichte der Nutzung des Hambacher Schlosses in den beiden Rheinpfalz-Artikeln.

Wer zu den Auseinandersetzungen um das Hambacher Schloss als ZeitzeugIn oder mit Dokumenten etwas beitragen kann, darf sich gerne an den Hambach-Blog wenden, der für eine Aufarbeitung dieser Ereignisse zur Verfügung steht.

Gerade ist das neue, 29. Jahrbuch der Hambach-Gesellschaft erschienen. Darunter ein Beitrag ihres Vorsitzenden Prof. Dr. Wilhelm Kreutz zum hier behandelten Thema mit dem Titel: „Das Hambacher Fest im Fokus von Rechtspopulisten und Antidemokraten“. Das Jahrbuch kann über den Buchhandel oder den Franz Steiner-Verlag bestellt werden. Das Inhaltsverzeichnis hier.

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